BAHN: VERMITTLER SCHRÖDER GEGEN AUFTEILUNG VON NETZ UND BETRIEB
: Der Exkanzler tummelt sich schon wieder

Auf den ersten Blick sieht alles nach harmloser Routine aus. Die Tarifverhandlungen bei der Eisenbahn sind gescheitert, und ein netter älterer Staatsmann wird zum Schlichter berufen. Schließlich ist Gerhard Schröder, 62, seit seiner antikapitalistischen Wahlkampagne vom vergangenen Jahr bei den Arbeitnehmern wieder wohl gelitten. Die Perspektive, den Imagewandel zum Traditionssozi durch ein Eingreifen zugunsten der Gewerkschaften weiter voranzutreiben, dürfte dem einstigen Neue-Mitte-Mann höchst gelegen kommen.

Doch die Bahn ist kein Unternehmen wie jedes andere. Sie ein Staatsbetrieb, der kaum einen Schritt ohne politische Folgen tun kann – fast wie der russische Energiekonzern Gazprom, wenn auch mit dem Unterschied, dass die Deutsche Bahn immerhin in einem demokratischen Gemeinwesen operiert.

Vor allem aber geht es bei den Tarifverhandlungen, die der frühere Kanzler jetzt schlichten will, auch um eine Frage, die in Schröders eigener Amtszeit ganz oben auf der verkehrspolitischen Agenda stand: darum, ob das Schienennetz bei einer Privatisierung der Bahn abgetrennt werden soll oder nicht. Mehdorn, der das Schienennetz behalten möchte, hatte stets die Rückendeckung des rot-grünen Regierungschefs – und der Bahngewerkschaft Transnet. Wenn Schröder jetzt als Schlichter auftritt, dann ist das vor allem auch ein politisches Statement gegen diejenigen in der großen Koalition, die mit einer Abspaltung des Netzes sympathisieren.

Mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit hat sich Schröder in dem Dreivierteljahr seit seinem Auszug aus dem Kanzleramt nur Beschäftigungen ausgesucht, die einen politischen Hautgout verströmen. Ob es um den Posten bei einem Schweizer Medienkonzern ging, um den Job beim russischen Gaskonzern oder jetzt um die Vermittlertätigkeit für die Gewerkschaft – immer begab sich Schröder zurück in ein Interessengeflecht, das er zu seinen Zeiten als Kanzler selbst gesponnen hatte. Einen Ruf als Elder Statesman wird er sich auf diese Weise nicht erarbeiten. RALPH BOLLMANN