Hilfe bei der Flucht vor Behörden

Vor 25 Jahren wurde der Flüchtlingsrat gegründet. Aus einer Privatinitiative ist eine feste Einrichtung geworden. Die Methoden sind professioneller geworden, doch die Probleme nicht weniger

VON MARLENE WOLF

Tausend Menschen konnte der Flüchtlingsrat im Jahr 2005 helfen. Wie viele es in der 25-jährigen Geschichte des Vereins waren, ließe sich hochrechnen, aber das will der Sprecher und Geschäftsführer Jens-Uwe Thomas gar nicht. „Unsere Arbeit lässt sich nicht statistisch bemessen.“

Auf die ungezählten Erfolge und Rückschläge der letzten 25 Jahre wird Thomas heute Abend zurückblicken. Zusammen mit 300 Gästen, unter anderem Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner und dem Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening wird ab 19 Uhr im Grips-Theater der runde Geburtstag gefeiert.

Zur Gründung des Vereins kam es eher zufällig. 1981 organisierte die evangelische Kirche Berlin und Brandenburgs eine Vortragsreihe zu dem Thema „Flüchtlinge in aller Welt“. Den Mitarbeitern fiel dabei auf, dass sich niemand um die Flüchtlinge in der Bundesrepublik kümmerte. Nachdem zu einer Sitzung zu diesem Thema viele interessierte BerlinerInnen erschienen, traf man sich regelmäßig, um sich ein Bild der Lage von Flüchtlingen in Berlin zu machen. Kurz darauf war klar, dass sich hier eine neue Interessengemeinschaft, der erste Flüchtlingsrat Deutschlands, gefunden hatte.

Traudl Vorbrodt, Koordinatorin und dienstälteste Mitarbeiterin, kam im Jahr 1983 zum Flüchtlingsrat. Sie erinnert sich noch daran, wie der Rat in der Anfangszeit Hilfsprojekte für die Flüchtlinge durchführte: An den Plätzen, wo Flüchtlinge darauf warteten, dass sie per Konvois auf den Rest Deutschlands verteilt wurden, gaben Mitglieder Getränke aus und stellten Sonnenschirme auf. Als der Berliner Senat die Sozialleistungen für Flüchtlinge zunehmend einschränkte und immer seltener Asylanträge bewilligte, organisierte der Flüchtlingsrat drastischere Aktionen. So versuchten Mitglieder des Rats Abschiebungen durch Sitzblockaden der Berliner Flughäfen zu verhindern und hielten Schutzwachen vor Asylbewerberheimen, nachdem es zu Übergriffen gekommen war. Mit Prominenten und Journalisten organisierte der Flüchtlingsrat 1993 eine Schifffahrt unter dem Motto „Das Boot ist nicht voll“, bei der 500 Flüchtlinge „ein ganz neues Berlin“ kennen lernten.

Inzwischen hat auch beim Flüchtlingsrat die Routine Einzug gehalten: Wenn heute ein Flüchtling um Hilfe bittet, wird „erst der Sachverhalt geprüft, dann die Behörde angefragt und als letzter Schritt eine Presseerklärung verfasst oder eine Kampagne gestartet“, sagt Jens-Uwe Thomas. Auch geht es heute vor allem um Vermittlung. Der Flüchtlingsrat besorgt Abschiebehäftlingen Rechtsanwälte und hilft Jugendlichen, eine Unterkunft zu finden.

20 bis 30 Mitglieder gehören mittlerweile zum Flüchtlingsrat. Durch Spenden können sie ein Büro in der Georgenkirchstraße unterhalten, wo drei feste Mitarbeiter die Vereinsarbeit koordinieren. Traudl Vorbrodt ist inzwischen auch Mitglied der Härtefallkommission, die in Einzelfällen eine Aufenthaltsgenehmigung empfehlen kann. Auf die letzten 25 Jahre sehen Thomas und Vorbrodt zwar mit Stolz zurück, das schönste Geburtstagsgeschenk sei jedoch, „wenn wir nicht mehr tätig sein müssten“, so Thomas. Doch es gibt zehntausend Flüchtlinge in der Stadt. Als nächstes müsse es unbedingt ein Bleiberecht für diejenigen geben, die schon Jahrzehnte in Berlin leben, sagt Vorbrodt und hofft auf die nächste Innenministerkonferenz im November.