Berliner Polizei auf Auslandstournee

Die Antikonfliktteams sind im In- und Ausland heiß begehrt: Tschechien hat am 1. Mai den Polizisten in Berlin über die Schulter geschaut und das Modell erfolgreich übernommen. Auch die Schweizer zeigen jetzt Interesse an Deeskalation aus Berlin

VON MARINA MAI

Berlin hat einen neuen Exportschlager: Die Antikonfliktteams der Polizei haben inzwischen in Tschechien und in der Schweiz Nachahmer gefunden.

Vor mehr als einem Jahr hielt Holger Gebert von der Berliner Polizei Fachvorträge über die Arbeit der Antikonfliktteams vor seinen Kollegen an der Moldau. „Die tschechischen Polizisten beobachteten unsere Gelbwesten im Einsatz, zum 1. Mai und zuletzt zur Loveparade“, sagt Gebert. Seine tschechischen Kollegen waren begeistert von der Arbeit der Antikonfliktteams. „Die Berliner Polizei gehört durch die langjährigen Erfahrungen mit Krawallen zu den Besten in der Krisenbewältigung“, sagte Cestmír Pastyrík, Direktor der tschechischen Ordnungspolizei, in der Prager Zeitung. „Als wir sie am 1. Mai 2005 in Aktion gesehen haben, war uns sofort klar, dass wir unsere Antikonflikteinheiten nach dem Berliner Vorbild aufbauen werden.“ Die Berliner haben sich damit gegen die Konkurrenz aus Paris durchgesetzt. Prag hat den kompletten Aufbau der Teams übernommen, und seit einem Jahr unterrichten nun Geberts Kollegen an der Moldau.

In Tschechien zeigt die Antikonfliktarbeit erste Erfolge. Bei einer Demonstration der rechten Szene in Ústi nad Labem, nahe der Grenze zur Sächsischen Schweiz, konnte man laut der Prager Zeitung autonome Gegendemonstranten dazu überreden, die mitgebrachten Steine aus ihren Rucksäcken auszukippen. Die Gegendemo sei damit friedlich verlaufen.

Und Ende Juli hatten Antikonfliktpolizisten bei der Technoparty „CzechTek“ auf einem nordböhmischen Armeegelände ebenfalls für einen friedlichen Verlauf gesorgt. Ein Jahr zuvor war das Technospektakel von der Polizei noch gewaltsam geräumt worden. Damals hatte der Polizeigroßeinsatz mit Tränengas und Wasserwerfern, bei dem viele Besucher und Polizisten verletzt wurden, in Tschechien zu einer politischen Protestwelle und zu einer Prozesslawine vor Gerichten geführt.

Die Berliner Idee zieht weitere Kreise: Vor wenigen Tagen erreichte die Berliner Polizei eine Anfrage aus der Schweiz. Auch dort wolle man, so Gebert, die Teams kennen lernen und vielleicht Ausbildungshilfe zur Vorbereitung auf die Fußball-Europameisterschaft 2008 anfordern.

Auch innerhalb Deutschland sind die Vorzeigepolizisten gefragt: „In zwei deutschen Bundesländern waren unsere Antikonfliktteams schon im Einsatz, zuletzt während des Bush-Besuches in Mecklenburg-Vorpommern und zuvor in Rheinland-Pfalz.“ In Baden-Württemberg und Niedersachsen habe Berlin ebenfalls deeskalierende Polizeihilfe bei konkreten Einsätzen angeboten. In den CDU-regierten Ländern gehe man aber „andere Wege zur Deeskalation“, sagt Gebert. Hospitanzen in Berlin gab es auch von der Brandenburger Polizei.

SPD-Innenexpertin Heidemarie Fischer freut sich, dass Berlin „Vorreiter ist in der Antikonfliktarbeit der Polizei. Das zeigt, dass unser Konzept richtig ist, auch wenn es anfangs Vorbehalte gab bei der Polizei.“ Antikonfliktpolizisten seien etwa als „Weicheier“ diffamiert worden, sagt Fischer. Auch die Grünen freuen sich über das Interesse im In-und Ausland: „Schön, dass moderne, innovative Projekte von Berlin ausgehen.“ Urgrüne Ideen wie polizeiliche Deeskalationsarbeit seien eben gute Exportartikel.