Mit Roger nach rechts

Zwischen Gewissensprüfungen und Verkaufsgerüchten: Die Rückkehr von „Welt“-Chefredakteur Roger Köppel zur Zürcher „Weltwoche“ sorgt für kräftig Wirbel in der Schweizer Medienszene

In seiner ersten Amtszeit kostete Köppels rechtsnationaler Kurs die „Weltwoche“ Anzeigen und Leser. Er wird ihn wohl trotzdem fortführen

Aus Zürich Carla Palm

Auf dem traditionellen Sommerfest des Zürcher Jean-Frey-Verlags kursierte nur ein Thema: Was wird aus der Weltwoche? Journalisten, Werbekunden und Banker tummelten sich im Partyzelt, während CEO Filippo Leutenegger den Abend mit einem typischen „Grüezi“ eröffnete. Doch so locker sich der Verlagschef auch gab, der Verkauf des Magazins an den Journalisten Roger Köppel und Leuteneggers eigene unsichere Zukunft sorgten für viel Gesprächsstoff.

Einen Monat ist es her, dass die Jean-Frey-Großaktionäre Tito Tettamanti und Gerhart Isler eine 60 Prozent-Mehrheit der Weltwoche für geschätzte acht Millionen Franken an Köppel verkauften. Ein Überraschungscoup, denn bis vor kurzem war der Schweizer noch Chefredakteur bei der Welt in Berlin. Nach nur zwei Jahren kehrt er in sein Heimatland zurück und wird dort in Personalunion Verleger und Chefredakteur bei einem Blatt, das er schon einmal drei Jahre lang geleitet hat und das heute verzweifelt gegen Leser- und Anzeigenschwund kämpft.

Offiziell wird Köppel sein Büro auf dem Jean-Frey-Gelände im Trendquartier Zürich-West erst im Oktober beziehen, doch der 41-Jährige setzt bereits die ersten Duftmarken. Die Weltwoche, so war auf dem Sommerfest zu hören, sei auf dem besten Wege, wieder ein journalistisches Kampfblatt mit einer konservativ-katholischen Ausrichtung zu werden. Einige Redakteure räumten bereits frustriert ihren Schreibtisch oder wurden zum Gehen aufgefordert. „Viele sind verunsichert und bangen um ihren Arbeitsplatz“, sagt ein Kenner des Verlages. Außerdem soll Köppel eine interne Journalistenbefragung planen, um die politische Haltung seiner Mitarbeiter zu orten.

Als einflussreicher Strippenzieher im Hintergrund gilt der Tessiner Finanzspekulant Tettamanti. Sein auf 400 Millionen Franken geschätztes Vermögen verdiente er zunächst mit Immobilien sowie Gold- und Edelsteinhandel. In den 80er-Jahren kaufte er sich damit in zahlreiche Schweizer Industrieunternehmen ein. Heute schreibt der 75-Jährige Bücher („Die sieben Sünden des Kapitals“) und gründete den Verein für Zivilgesellschaft, der als Speerspitze schweizerischer Rechtsbürgerlichkeit gilt.

Vor vier Jahren übernahm Tettamanti den Jean-Frey-Verlag und damit auch die Weltwoche mit einer Investorengruppe, zu der auch einflussreiche Schweizer Politiker wie der konservative Bundesrat Christoph Blocher gehören sollen. Seitdem bestimmen politische Richtungskämpfe den Redaktionsalltag. Tettamanti will aus dem angesehenen Wochenblatt wieder ein rechtspathetisches Organ formen. Dass er dafür Köppel in die Schweiz zurückholt, gilt als genialer Schachzug. Bereits in seiner ersten Amtszeit als Weltwoche-Chefredakteur ergänzten sich der Journalist und sein geistiger Mentor. In den Jahren 2001 bis 2003 krempelte Köppel die Weltwoche zu einem modernen Magazin um und überraschte die Leser mit einem zwar konservativen, aber vor allem frechen Journalismus. Das überzeugte auch die Anzeigenkunden, und so wurde aus dem Verlustbringer Weltwoche (12 Millionen Franken Defizit) ein profitables Unternehmen. „Das war eine Meisterleistung damals“, schwärmt ein Köppel-Fan aus der Schweizer PR-Szene.

Doch dann lehnte sich der bürgerliche Querdenker mit einem Wahlaufruf für die Schweizerische Volkspartei (SVP), zu der auch Blocher gehört, zu weit aus dem Fenster: Werbekunden und Leser gingen wieder auf Distanz. Die Weltwoche trudelte in ihre alte Verlustzone zurück. Köppel musste lernen, dass der Rechtskurs allein keine universelle Lösung ist, und setzte sich nach Berlin zum Springer Verlag ab.

Tettamanti bedauerte den Wechsel und wollte seinen Ziehsohn stets zurückholen. Er war es wohl auch, der Köppel den relativ preiswerten Einstieg als Verleger der Weltwoche ermöglichte. „Acht Millionen Franken sind ein Preis, den die 60-prozentige Beteiligung immer erzielen wird“, sagt ein Banker. Finanzieren wird Köppel den Kauf mit einem Teil seines Privatvermögens sowie Bankbürgschaften. Insider mutmaßen, dass bei dem Deal die Swissfirst Bank ihre Hände mit ihm Spiel hat. Schon bei dem ersten Verkauf an die Investorengruppe ermöglichte sie eine Zwischenfinanzierung.

Die großen Verlierer des Tettamanti-Putschs sind der bisherige Weltwoche-Chefredakteur Jürg Wildberger sowie Verlags-CEO Filippo Leutenegger, die für einen Kurs der Öffnung ohne politische Prägung stehen. Wildberger wurde von Tettamanti und seinen Helfershelfern bereits entsorgt und wird sich nun auf eine Beratertätigkeit zurückziehen. Wie lange sich Leutenegger hält, scheint eine Frage der Zeit. Kritiker werfen ihm vor, ein CEO für das Sparen, jedoch nicht für die Strategie zu sein. Es sei ihm nicht gelungen, den Verlag mit neuen Projekten auf Kurs zu halten.

Die Jean-Frey-AG gilt nun sogar als klassischer Übernahmekandidat, denn mit dem Verkauf der Aktienmehrheit an Köppel steht der Verlag ohne publizistisches Flaggschiff da. Geblieben sind das Finanzmagazin Bilanz, die TV-Zeitschrift TV Star und das Verbrauchermagazin Beobachter. Alle drei gelten als profitable Objekte, für die sich nun auch andere Schweizer Verlage wie Ringier oder Tamedia interessieren könnten. „Ein Verkauf ist nicht auszuschließen“, sagt ein Branchenbeobachter.

Sogar der Springer Verlag wird als Käufer genannt. Gerade erst lancierten die Berliner mit TV Digital eine Zeitschrift für digitales Fernsehen in der Schweiz und besitzen dort außerdem mit der Handelszeitungsgruppe eine Reihe von kleineren Wirtschaftsmedien. Ein weiteres Engagement würde Sinn machen.