Er stellte sich der Polizei

In der libanesischen Hafenstadt Tripoli wurde der zweite mutmaßliche Kofferbomber Dschihad H. festgenommen

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Der zweite mutmaßliche Kofferbomber, bereits seit Tagen mit Fahndungsfoto gesucht, hat sich der Polizei im Libanon gestellt. In den frühen Morgenstunden meldete sich Dschihad H. bei der Kriminalpolizei in der libanesischen Hafenstadt Tripoli. Inzwischen sei der 20-Jährige in die Hauptstadt Beirut gebracht worden, erklärte Rainer Griesbaum, der die Terrorismus-Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft leitet.

Wohl habe der starke „Fahndungsdruck“ H. bewogen, sich zu stellen, mutmaßte Griesbaum. Die Auslieferung H.s an Deutschland könne „Tage, Wochen oder Monate“ dauern. Genaueres könne derzeit nicht gesagt werden, weil Deutschland mit dem Libanon keinen Auslieferungsvertrag geschlossen hat, erläuterte Griesbaum. Formal ist der Libanon also überhaupt nicht zur Auslieferung seines Staatsbürgers gezwungen. „Es wird jetzt diplomatische Verhandlungen geben“, kündigte der Bundesanwalt an. „Manchmal geht es ohne Vertrag sogar schneller.“ Zügig könnte die Auslieferung erfolgen, wenn sich Dschihad H. mit seiner Überstellung an Deutschland einverstanden erklärt.

Der Libanese soll so schnell wie möglich vernommen werden. Noch gestern Abend wollten ein Mitarbeiter Griesbaums und mehrere Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) nach Beirut fliegen. Im Gepäck haben sie ein Rechtshilfeersuchen, das ihnen das Gespräch mit H. ermöglichen soll.

Journalisten wollten gestern wissen, ob bei der Befragungen deutsche oder libanesische Methoden angewandt werden. Sie nahmen darauf Bezug, dass im Vorjahr der BKA-Beamte Ralph Trede seine Kollegen beschuldigte, sie hätten zwei Beschuldigte vom libanesischen Geheimdienst foltern lassen und seien so erstaunlich schnell an brauchbare Aussagen gekommen. Griesbaum sagte dazu nur, man werde versuchen, den libanesischen Kollegen die Vorgaben der deutschen Strafprozessordnung „nahezubringen“. Aussagen, die unter Folter gemacht wurden, dürfen in deutschen Strafprozessen nicht verwendet werden, wären also ohnehin wertlos.

Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hatte schon am Mittwoch Haftbefehl gegen Dschihad H. erlassen. Zuvor war die Kölner Wohnung durchsucht worden, die H. bis Ende Juli bewohnt und dann offensichtlich überstürzt verlassen hatte. In der Wohnung fanden die Ermittler, so Griesbaum gestern, „DNA-fähiges Material“ wie etwa Haare, das sie mit DNA-Spuren im Bombenkoffer abgleichen können. Aufgefunden wurden auch die Quittungen zum Kauf und Befüllen von zwei Gasflaschen sowie Kabelteile und schwarzes Klebeband.

Dschihad H. wird derzeit versuchter Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Der Terror-Vorwurf dürfte das Strafmaß kaum erhöhen, erleichtert aber die Ermittlungen, weil die Polizei im Kampf gegen Terroristen mehr Befugnisse hat.

Als terroristische Vereinigung gilt allerdings nur eine Gruppe aus mindestens drei Personen, die sich dauerhaft zusammengeschlossen hat, um mehrere schwere Straftaten zu begehen. Bisher sind der Bundesanwaltschaft aber erst zwei potenzielle Mitglieder bekannt: Dschihad H. und der vor wenigen Tagen in Kiel festgenommene Youssef Mohammed E., der den anderen Bombenkoffer trug.

Die Bundesanwälte gehen davon aus, dass es noch andere, bisher unbekannte Mitglieder der terroristischen Vereinigung gibt. Auch ein Namen der Gruppe sei noch nicht bekannt. Doch auch darin sieht Griesbaum kein Problem: „In diesem Bereich wird meist nach dem No-Name-Konzept gehandelt. Meist bekommen die Gruppen ihren Namen von den Ermittlungsbehörden“, so erklärte der Terroristenfahnder Griesbaum. Im Fall der Kofferbomber sei man aber noch nicht so weit, der Gruppe einen Namen zu geben.