Frauen? Oberpeinlich!

„Die Zeit“ fordert eine neue Frauenbewegung. Sehr gut! Aber wenn man genau hinsieht, muss man feststellen: Kein Mann will sich zur großen Forderung bekennen. Schämen sich die Herren etwa?

VON HEIDE OESTREICH

Ja, die Zielgruppe Frauen, die darf man nicht mehr vernachlässigen, wenn man als Zeitung die Auflage stabil halten will. Das haben ja schon viele Zeitungen begriffen. Haben „weiche Themen“ beackert, psychische Krankheiten durchdekliniert, Erziehungs- und Diätfragen erörtert und Serien über die Unterschiede von Männern und Frauen platziert.

Und, ähm, was könnte man noch machen? Fragte sich die „Leben“-Redaktion der Zeit. Wenn man die Frauen so anguckt, was fällt einem auf? Sie sind genervt: Von Frank Schirrmacher und Matthias Matussek, die Frauen lieber wieder als Hausmamsell hätten. Und so Früchtchen wie Eva Herman, die ihnen sekundiert und meint, Gott hätte die Frauen als Muttertiere geschaffen.

Alles wahr, alles alt

Da lässt sich doch was machen, meint der Chef. Und weil die Zeit immer gern alles eine Nummer größer macht, hat sie gleich eine Kampagne ausgerufen: „Wir brauchen einen neuen Feminismus“, donnert es aus vielen Kehlen von der ersten Seite der Zeit. Die Aufmachung: Fast wie „Wir haben abgetrieben“, seinerzeit im Stern. Lauter Promi-Frauen: Anne Will, Anke Engelke, Sarah Wiener, Karen Duve, Sandra Hüller und noch eine Zahl Wissenschaftlerinnen, Richterinnen und so weiter. Im Ressort „Leben“ räsonnieren die über weibliches Selbstbewusstsein, das Problem, Familie und Beruf zu vereinbaren, oder Männermacht in den Medien, jenseits der Frauen, die als Moderatorinnen ins Bild gerückt werden. Karen Duve fasst ganz treffend zusammen: „Intelligente Frauen werden gar nicht darum herumkommen, sich wieder zum Feminismus zu bekennen.“ Alles wahr, alles auch schön öfter mal gelesen.

Oft? In der Zeit eigentlich bisher nicht so wahnsinnig oft, fällt einem dann auf. Und nun sechs Seiten auf einmal. Als hätte die Redaktion alle Themen, die sonst immer mit „öööh, oller Feminismus“ abgelehnt wurden, auf einmal ins Blatt geschoben. Deshalb wahrscheinlich werden die Frauen auch inszeniert wie bei der Abtreibungskampagne: man outet sie als Gruppe der heimlichen Feminismus-Anhängerinnen.

Interessant, denn Abtreibung war ja damals illegal. Damit hat man den Status des Feminismus in der Zeit wahrscheinlich ziemlich exakt bestimmt.

Das steht dann auch vorne im Editorial. Es sei ja eigentlich oberpeinlich, einen neuen Feminismus zu fordern. Man tut es aber jetzt trotzdem mal. Wegen dieser Art von Backlash à la Schirrmacher und Matussek. Aber was wird eigentlich gefordert? Männer, die sich um Kinder kümmern? Mehr Frauen als Chefs, beispielsweise in der Zeit? Oder wenigstens das Recht auf einen Kinderkrippenplatz? Nichts dergleichen. Nur ein „neuer Feminismus“. Was soll der Inhalt dieses neuen Feminismus sein? Nach sechs Seiten Lektüre ist man nicht schlauer. Feminismus wird hier nicht als politisches, sondern ästhetisches Projekt inszeniert. Na ja, immerhin hat das Wort überhaupt seinen Weg in die Zeitung gefunden, da wollen wir mal nicht so sein.

Wer ist diese „DZ“?

Aber wer von den KollegInnen fordert da eigentlich Feminismus? „DZ“ unterschreibt das Editorial. Wer ist „DZ“? Die Zeit? Und wer fordert noch? Chefredakteur Giovanni di Lorenzo? Oder seine Stellvertreter Matthias Nass und Bernd Ulrich? Oder der Chef des „Leben“-Ressorts, Christoph Amend? Alles Männer, komisch. Wie alle anderen Ressortleiter in der Zeit übrigens auch. Bis auf die Ressorts Reise, Bild und Leserbriefe. Keiner von diesen Ressortleitern fordert hier etwas. Obwohl die Zeit doch immer die Zeitung großer und vehementer Forderungen an die Politik ist. Unter solchen Forderungen stehen immer Namen. In Großbuchstaben. Na dann vielleicht die weiblichen MitarbeiterInnen? Aber auch die Redakteurinnen der Zeit fordern nichts. Nur prominente Frauen und „DZ“. Aber da sind doch so viele Interviews mit den Frauen geführt worden. Wer hat denn die Fragen gestellt? Es steht gar kein Name unter den Interviews. Nur wer danach sucht, findet die InterviewerInnen ganz verschämt im Kleingedruckten. Die Zeit scheint es weiterhin so oberpeinlich zu finden, Feminismus zu fordern, dass kein einziger AutorInnenname prominent auftaucht.

Der Quotenmann

Doch, einer: Harald Martenstein. Harald Martenstein schreibt vorne eine Kolumne, in der er sich darüber beschwert, dass er von Frauen dominiert wird. Überschrift: „Ach, Kindchen“. Damit meint er nicht sich, sondern die Frauen. Die einen neuen Feminismus fordern. Oberpeinlich eben.