Der „alte Hetzer“ steht bald vor Gericht

In einem neuen Verfahren gegen Mitglieder der rechtsextremen „Kameradschaft Westerwald“ ist jetzt auch der 69-jährige Gründervater angeklagt. Die Eltern der jugendlichen „Kameraden“ halten ihn für den „eigentlichen Verführer“ ihrer Kinder

AUS KOBLENZ KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Sie nennen ihn den „Hitler vom Westerwald“. Der inzwischen 69 Jahre alte Rentner und Aktivist der NPD, Heinz Horst M., ist der Gründervater der rechtsextremistischen Kameradschaft Westerwald. Die Staatsanwaltschaft in Koblenz hat jetzt Anklage gegen den mutmaßlichen Rädelsführer der Kameradschaft erhoben, den die Eltern der meist jugendlichen „Kameraden“ für den „eigentlichen Verführer“ ihrer Kinder halten.

Eine weitere Anklageschrift gegen 13 „Kameraden“ ging dem Gericht zeitgleich zu. Dabei geht es um deren strafbewehrte Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Bereits Ende 2005 waren 16 von insgesamt rund 40 registrierten „Kameraden“ wegen diverser Straftaten von der Staatsschutzkammer am Landgericht in Koblenz zu Geld- und zu Haftstrafen von bis zu drei Jahren mit und ohne Bewährung verurteilt worden.

Heinz Horst M. habe durch die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes „unsere Jugend vergiftet“, sagte der Vater von zwei jungen „Kameraden“ damals der taz. Seinen beiden Söhnen war vom Gericht die Mitgliedschaft im Vorstand der Kameradschaft und die Beteiligung an einem brutalen Überfall auf die Besucher eines Punkkonzertes nachgewiesen worden. Auch die Mutter eines verurteilten kahlköpfigen „Kameraden“ vermisste damals M. auf der Anklagebank. Der „alte Hetzer“ gehöre da hin – „und nicht unsere paar dummen Jungen hier“.

Bei M. habe es noch „Ermittlungsbedarf“ gegeben, erklärte dagegen die Staatsanwaltschaft, die jetzt – acht Monate nach Ende der ersten Prozessrunde – bei der Staatsschutzkammer gegen Heinz Horst M. Anklage wegen Volksverhetzung und Gründung einer kriminellen Vereinigung erhoben hat. Seiner Lebensgefährtin Renate M. wird vorgeworfen, Mitglied dieser kriminellen Vereinigung gewesen zu sein.

Laut Anklageschrift soll M. aus Unzufriedenheit mit der Politik der NPD die Kameradschaft Westerwald im Jahre 2002 gegründet haben. Der Rentner habe sich als Schulungsleiter geriert und vor den Mitgliedern „politische Vorträge“ gehalten. Zudem habe M. bei den Versammlungen der „Kameraden“ diverse Schriften mit volksverhetzenden Inhalten verteilt, in denen der Holocaust geleugnet wurde. Als Ziel einer „nationalen Revolution“ habe M. die Wiederherstellung des nationalsozialistischen Dritten Reichs propagiert. Renate M. soll die Alt- und Neonazis bei deren Zusammenkünften „mit Speisen und Getränken“ versorgt haben.

Schon im ersten Prozess gegen die Kameradschaftsmitglieder hatten einige der jungen Rechtsextremisten ausgesagt, dass ihnen die Penetranz, mit der M. immer wieder über das „Dritte Reich“ und seinen „genialen Führer“ Adolf Hitler gesprochen habe, „allmählich auf den Senkel gegangen“ sei. Man habe schließlich Gegenwartsprobleme aufgreifen und diskutieren und nicht ständig mit den „ollen Kamellen“ konfrontiert werden wollen, sagte der zu einer Geldstrafe verurteilte „Kamerad“ Christian Steup damals.

Steup aus Langenbach bei Bad Marienberg, nach eigenen Angaben ein „Gegner von Gewalt“, ist heute Kreisvorsitzender der NPD im Westerwald. In seiner Wohnung waren Anfang 2005 Übungshandgranaten gefunden worden. Das Verhältnis zwischen M. und den eher jungen „Kameraden“ war bald nachhaltig gestört. Im Oktober 2004 wurde M. nicht mehr in den Vorstand gewählt. Danach ging man getrennte Wege – und traf sich auf Nazidemonstrationen wieder.

Die Antifaschisten in der Region glauben ohnehin, dass die braune Kameradschaft Westerwald weiter existiert, auch wenn die Staatsanwaltschaft von deren „Zerschlagung“ spricht. Im rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf habe die NPD den „geistigen Vater der Kameradschaftsbewegung“, den prominenten NPD-Aktivisten Thomas Wulff, mit einem Bus durch den Westerwald kutschiert, so Lisa Steffhausen, Sprecherin der Antifaschistischen Aktion Westerwald. Stets habe Wolff propagiert, weiter die parteilosen nationalen Kräfte in „freien Kameradschaften“ bündeln zu wollen. Vor den Schulen der Region sei vom Bus aus die „Schulhof-CD“ der NPD verteilt worden.

Die Antifaschisten haben Bad Marienberg als „braune Hochburg“ in der Region ausgemacht. Lokale in der Kurstadt öffneten bereitwillig ihre Türen für die NPD und für die „Glatzen in ihrem Dunstkreis“. Nur einmal sei die Polizei gekommen – um den sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Holger Apfel vor Antifaschisten zu schützen.