„Sinnvoll ist, Brunsbüttel vom Netz zu nehmen“

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) will von Vattenfall ultimativ Funktionsnachweis der Notstromversorgung im AKW Brunsbüttel

taz: Herr Gabriel, Sie haben Vattenfall ein Ultimatum gestellt. Was sagt es?

Sigmar Gabriel: Es ist bekannt, dass wir nach dem Vorfall im schwedischen Forsmark einen vertieften Sicherheitscheck aller deutschen Anlagen veranlasst haben. Aufgrund der jüngsten Darlegungen des Betreibers haben sich insbesondere neue Fragen zur Sicherheit des AKWs Brunsbüttel ergeben. Erst hatte der Betreiber behauptet, das Notstromsystem sei gegen Überspannungsimpulse immun, weil dort die Steuerung der Diesel für den Notstrom nicht von Wechselrichtern abhänge. Jetzt sagt er, das System sei sicher, obwohl Wechselrichter dabei eine Rolle spielen. Wir haben ihn aufgefordert, bis Montag den Nachweis dafür zu liefern.

Sie haben erklärt, Risikotechnologien seien nur akzeptabel, wenn die Betreiber vertrauenswürdig sind. Ist das Vertrauen zu Vattenfall noch da?

Atomkraftwerke sind so komplex, dass sie nur nach dem Prinzip „Learning by doing“ betrieben werden können. Die Betreiber erklären ständig, das kann bei uns gar nicht passieren – und dann passiert eben doch etwas. Auch wenn die Betreiber daraus lernen – ich finde das angesichts des Schadensrisikos, das wir bei der Atomenergie haben, auf die Dauer nicht vertretbar. Vertrauensfördernd wäre gewesen, wenn die Betreiber von sich aus ihre Notstromsysteme überprüft hätten, statt schnelle Sicherheitserklärungen abzugeben. Das lässt auf die Psychologie derer schließen, die AKWs betreiben: Sie können sich augenscheinlich nicht vorstellen, dass Technik oder Mensch versagen könnten. Solange das so ist, muss der Bundesumweltminister misstrauisch bleiben.

Zwei Wochen nachdem sie ausgeschlossen haben, dass sich Forsmark „Eins zu eins in Deutschland wiederholen kann“, soll Vattenfall die Unterlagen seiner Notstromversorgung einreichen. Ein ziemlich großes Zeitfenster für eine Risikotechnologie!

Ich habe betont, dass dies eine vorläufige Bewertung ist, gestützt auf die ersten Einschätzungen der Atomaufsichten der Länder und deren Sachverständige. Wir haben dann die vertiefte Sicherheitsüberprüfung veranlasst. Unser Vorgehen bei Brunsbüttel ist ein Ergebnis dieser Überprüfung. Das zeigt, dass bei uns die Atomaufsicht funktioniert.

Brunsbüttel ist jener Reaktor, der gemäß Atomkonsens als übernächster abgeschalten werden soll. Besteht die Möglichkeit, dies zu beschleunigen?

Bei Brunsbüttel handelt es sich um ein Kraftwerk, das, weil es eben älter ist, nicht so sicherheitsoptimiert ist wie neuere Kraftwerke. Deshalb ist es sinnvoll, solche Altanlagen früher vom Netz zu nehmen. Das Atomgesetz ermöglicht es, die Reststrommenge von älteren auf jüngere Anlagen zu übertragen. Dass die Kraftwerksbetreiber immer nur über den umgekehrten Weg debattieren, ist ziemlich abenteuerlich.

Was muss Vattenfall konkret bis Montagabend eingereicht haben?

Den technischen Nachweis, dass es sich bei der Regelungseinheit zur Notstromversorgung im AKW Brunsbüttel nicht zu einem teilweisen Ausfall der Steuerungseinrichtung kommen kann.

Fachleute ihres Hauses prüfen die Unterlagen. Was passiert, wenn Sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind?

Das klären wir dann im nächsten Interview. INTERVIEW: NICK REIMER