Gabriel lässt AKW Brunsbüttel laufen

Das umstrittene Atomkraftwerk wird erst mal nicht vom Netz genommen. Denn Betreiber Vattenfall wehrt sich gegen die Vorwürfe des Bundesumweltministers. Kieler Atomaufsicht rechnet in „zwei, drei Tagen“ mit Ergebnissen der Prüfung

VON NICK REIMER

Sigmar Gabriel muss sich noch gedulden. Der SPD-Bundesumweltminister hatte den Atomkonzern Vattenfall ultimativ aufgefordert, die Sicherheit seines AKW Brunsbüttel nachzuweisen – Termin: gestern, Dienstschluss. Schlauer ist er heute nicht. „Atomaufsicht ist schließlich Ländersache“, erklärt eine Sprecherin des Kieler Gesundheitsministeriums.

Weil Brunsbüttel in Schleswig-Holstein liegt, muss Vattenfall die Unterlagen in Kiel einreichen. Beim Gesundheitsministerium, das in Schleswig-Holstein für die Atomaufsicht zuständig ist. Dass Vattenfall einreichen wird, schien gestern sicher: „Wir werden dem Ministerium die entsprechenden Dokumente vorlegen“, erklärte Bruno Thomauske. Der Chef der Vattenfall Europe Nuclear Energy erklärt ein Versagen der Wechselrichter wie in dem schwedischen Atomkraftwerk Forsmark für ausgeschlossen. Gegenüber dem Handelsblatt erklärte Vattenfalls oberster Atommanager: „Wir werden zu Unrecht an den Pranger gestellt.“ Es dränge sich der Eindruck auf, dass Gabriel die aktuelle Auseinandersetzung nutze, „um Brunsbüttel sicherheitstechnisch zu diskreditieren, um auf diesem Umweg eine Laufzeitverlängerung zu erschweren“.

Diese Kritik blieb beim Umweltminister offenbar nicht ohne Wirkung. Gabriels Sprecher Michael Schroeren erklärte: „Der Bundesumweltminister hat nicht die Absicht, aus Willkür heraus von seiner Seite aus das AKW stillzulegen.“ Für einen Weiterbetrieb zähle allein, ob das Kraftwerk sicher betrieben werden könne und ob Vattenfall den Nachweis dazu erbringe.

Wie gesagt: Gabriel muss sich gedulden: Zunächst werden es Kieler Fachleute sein, die die Unterlagen prüfen. „Das kann zwei, drei Tage dauern“, erklärt Ursel Meenzen, Sprecherin des schleswig-holsteinischen Gesundheits- und Sozialministeriums. Abhängig sei der Prüfumfang von der Qualität der Unterlagen. „Fragezeichen oder Gesprächsbedarf verzögern natürlich das abschließende Urteil.“ Das wird dann nach Berlin gemeldet.

Für die Deutsche Umwelthilfe ist das „unerträglich“. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: „Obwohl nicht einmal in Schweden die Ursache des Störfalls zweifelsfrei feststeht und auch in Brunsbüttel offenbar Teile des Sicherheitssystems von der Funktionstüchtigkeit von Wechselrichtern abhängen, ist Vattenfall immer absolut sicher, dass in Brunsbüttel ein Versagen des Notstromsystems ausgeschlossen ist.“ Der Reaktor in Brunsbüttel müsse unverzüglich stillgelegt werden.

Das fordern auch die Bündnisgrünen. „Vattenfall hat wochenlang schwerwiegende Sicherheitsmängel verheimlicht und dadurch seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den ordentlichen Betrieb eines AKWs verloren“, erklärte Fraktionschefin Renate Künast. Grüne Kritik muss sich aber auch der Bundesumweltminister gefallen lassen. „Vor Tagen hat Gabriel Entwarnung gegeben und beteuert, dass kein AKW in Deutschland abgeschaltet werden müsse. Nun rudert er zurück!“