Eine Frage der Würde

Kritiker werfen der Doku „Wie die Wilden – Deutsche im Busch“ Kolonialismus vor. Sat.1 dementiert

Nach ersten positiven Kritiken wird Widerspruch laut gegen die Serie „Wie die Wilden – Deutsche im Busch“, in der Sat.1 drei deutsche Familien zu Naturvölkern in Indonesien, Namibia und Togo verfrachtet. Heute läuft um 21.15 Uhr die zweite Folge der „Reality-Doku“.

„Die Sensation soll aus der konstruierten Verschiedenheit des Europäers und des ‚Wilden‘ erwachsen“, erklärt Roger Künkel, Präsident der Gesellschaft für afrikanische Philosophie. „Es ist eindeutig, dass hier ein Gegensatz hergestellt wird zwischen den Deutschen als Vertretern des entwickelten Homo sapiens und den Himba als Vertretern des unterentwickelten, primitiven Dritte-Welt-Menschen.“

Künkel steht mit seiner Kritik nicht allein. „Sat.1 hat durch die Zurschaustellung der Himba deren menschliche Würde verletzt“, sagt David Amutenya, Erster Sekretär der Botschaft Namibias in Berlin. Außerdem sei der Titel in kolonialer Sprache verfasst, was Namibia nicht akzeptieren könne.

„Die Sendung ist alles andere als kolonialistisch. Mit den ‚Wilden‘ sind die Deutschen gemeint“, argumentiert Birgit Borchert von Sat.1. Es werde gezeigt, wie sich „scheinbar zivilisierte Deutsche“ in der ungewohnten Situation verhielten. Dies lässt wiederum Künkel nicht gelten: „Mit dem Titel wird eine Voreingenommenheit bedient, schließlich bezeichnet niemand die Deutschen als Wilde – aber viele nennen leider die beteiligten Völker so.“ Die Doppeldeutigkeit des Titels funktioniere daher nicht. „Mit Wortklauberei kommt man da nicht raus. Wenn man die Rechte und Würde anderer Menschen verletzt, kann man nicht hinterher sagen: ‚Ich habe es aber lustig gemeint.‘“ Als unerträglich empfindet er auch, dass Länder gewählt wurden, die einst deutsche Kolonien waren. Das Kaiserreich beherrschte Togo und Namibia bis zum Ersten Weltkrieg. Namibia von 1871 an, Togo seit 1884.

Sat.1 betont, dass man alles mit den Behörden der Länder abgesprochen habe. In der namibischen Botschaft sieht man das anders. In dem Visumsantrag sei der Eindruck erweckt worden, eine wissenschaftlich-ethnologische Dokumentation machen zu wollen. Davon könne aber bei der Sendung keine Rede sein.

MARIUS MEYER