Die SPD bekämpft ihr Steuertrauma

Bei den Sozialdemokraten nimmt die Kritik an der Unternehmenssteuerreform zu. Zehn Fraktionsvorsitzende sind gegen Entlastung der Konzerne. Die Koalition lässt sich nicht beirren: Immerhin bringe die Steuersenkung von 2000 jetzt mehr Geld

VON HANNES KOCH

Die SPD leidet an einem Trauma, das noch aus rot-grünen Zeiten stammt. Denn ihr weltanschauliches Fundament, das Ziel der sozialen Gerechtigkeit, bekam schon vor Hartz IV Risse. Ab 2001 zahlten gerade die großen Konzerne kaum noch Steuern – vor allem wegen einer Steuerreform, die der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) durchgesetzt hatte. Neben der Parlamentarischen Linken der SPD wollen nun auch zehn Vorsitzende sozialdemokratischer Landtagsfraktionen verhindern, dass sich dieses PR-Desaster demnächst wiederholt.

„Der Zustand der öffentlichen Haushalte verbietet jede Minderung der Steuereinnahmen“, erklären beispielsweise Heiko Maas (Saarland), Wolfgang Jüttner (Niedersachsen) und Michael Müller (Berlin) zur geplanten Unternehmenssteuerreform der großen Koalition. Bevor Schwarz-Rot die Steuersätze für Kapitalgesellschaften von heute knapp 39 auf unter 30 Prozent verringere, müsste sichergestellt werden, dass der Beitrag der Unternehmen zum Steueraufkommen insgesamt nicht sinke.

Während sich die Kritik an der Steuerreform mit zunehmender Geschwindigkeit von links in die Mitte der SPD ausbreitet, versucht das Bundesfinanzministerium, die traumatische Erfahrung von 2001 zu heilen. Die neueste Argumentation: Mittlerweile lägen die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer und der Kapitalertragssteuer mit insgesamt 26,3 Milliarden Euro wieder höher als im Jahr 2000 (23,6 Milliarden). Eichels Reform habe also, mittelfristig betrachtet, das Ziel erreicht, mehr Einnahmen zu generieren und zugleich die internationale Positionierung der Firmen zu verbessern.

Leider „stimmt das so nicht“, erklärt dazu freilich Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Bei korrekter Rechnung hätten die Einnahmen im Jahr 2000 bei 30,5 Milliarden gelegen, und somit über dem heutigen Niveau.

Bei ihrer Verhandlung am Dienstagabend hielten die Spitzen der Koalition trotzdem an ihrem bisherigen Plan fest: Senkung der Steuersätze um fast zehn Prozent, Verschließen von Möglichkeiten zur Steuerflucht, weniger Kapitalsteuer für Private. Der Dissens besteht darin, dass die Union etwas mehr Entlastung fordert, die SPD etwas weniger zugestehen will.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) balanciert damit zwischen den Positionen seines Koalitionspartners und seiner Partei. Das ist keine ungünstige Voraussetzung, um die Steuerreform durchzusetzen, die er anstrebt. Hinzu kommt, dass die Fraktionsvorsitzenden vielleicht den Leidensdruck auf der Seele der SPD auch deshalb so dramatisieren, um ihren Minister gegen die Union zu stärken.