AKW bedroht neue Windparks

Geht das AKW Brunsbüttel nicht wie geplant 2009 vom Netz, stehen die Offshore-Windparks in der Nordsee auf der Kippe. Denn der Ökostrom soll vor allem in Brunsbüttel ins Netz eingespeist werden. Die Kapazitäten dort sind aber begrenzt

von Armin Simon

Geht das AKW Brunsbüttel nicht bald vom Netz, ist der Ausbau der Windenergie in der Nordsee blockiert. Darauf hat jetzt das Offshore-Forum Windenergie hingewiesen. „Wenn die AKW alle weiter laufen oder ihre Laufzeiten sogar verlängert würden, dann gibt es keine ausreichende Kapazität für die Einspeisung des Stroms aus den Offshore-Windparks“, sagte Forumsvorstand Jörg Kuhbier, einst Hamburger Umweltsenator.

Am augenfälligsten ist die Leitungs-Konkurrenz zwischen Atom- und Windstrom in Brunsbüttel. In ganz Schleswig-Holstein gibt es nur zwei Punkte, an denen größere Strommengen ins 380-Kilovolt-Netz eingespeist werden können: einen in Böxlund bei Flensburg und einen Doppelanschluss in Brunsbüttel, von dem etwa 3.400 Megawatt ins bundesweite Höchstspannungsnetz fließen können.

Böxlund verkraftet laut einer Studie der Deutschen Energie Agentur (Dena) lediglich noch 700 Megawatt Leistung – gerade genug für zwei erste Windparks vor Sylt. Schon die drei bis vier nächsten, die einige Kilometer weiter draußen entstehen sollen, müssen ihren Strom daher nach Brunsbüttel leiten. Gleiches gilt für die drei vor Helgoland geplanten Windparks. Die Kabeltrasse, die nördlich von Büsum das Watt durchkreuzt und von dort als Erdkabel nach Brunsbüttel führen soll, ist bereits genehmigt – als einzige im gesamten Nordseebereich.

Der Bau des ersten Parks könnte 2010 beginnen und jedes Jahr ein weiterer folgen – vorausgesetzt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind bis dahin geklärt. Denn ob der Ökostrom von der See dann auch Platz im Stromnetz hat, ist fraglich. Noch nehmen nämlich die AKW Brunsbüttel und Brokdorf einen Großteil der Leitungskapazität des Brunsbüttler Einspeisepunktes in Beschlag.

„Da dürfte nichts frei sein im Moment“, räumt Anja Cales de Beaulieu, Sprecherin der Eon Netz GmbH, die „Konkurrenz um Leitungskapazitäten“ ein. Im ganzen Norden der Republik gebe es „mit Sicherheit keine Leitung, die sich über mangelnde Auslastung beklagt“.

Die Prognose der Dena-Netzstudie, die von 2.200 Megawatt Netzkapazität in Brunsbüttel für Offshore-Windstrom ausgeht, basiert auf dem Atomkonsens, den die AKW-Betreiber unterzeichnet haben. Demzufolge muss das AKW Brunsbüttel im Jahr 2009 abgeschaltet werden. Doch Vattenfall macht keinen Hehl daraus, dass man diesen Termin gerne kippen würde.

Die Offshore-Branche reagiert alarmiert. Gehe der Uralt-Reaktor nicht rechtzeitig vom Netz, drohe zwei von sieben bereits geplanten Offshore-Pilotprojekten das Aus. Und produziere Brokdorf länger als geplant Strom, fehlten die Leitungskapazitäten für die nächste Ausbaustufe auf See. „Wenn die Laufzeit verlängert wird, findet Offshore-Windkraft in den nächsten Jahren nicht statt“, warnt Kuhbier. Damit stehe nicht nur die Energiewende, sondern auch der bundesdeutsche Vorsprung der Boom-Branche auf der Kippe.