zwischen den rillen
: Funk kommt von Lachen

Bunt, ironisch, detailverliebt, durcheinander und sehr lustig. „Mit dir sind wir vier“, das neue Album von International Pony

Der Hamburger Hiphop kommt auf den Funk. Zuerst arbeitet sich Jan Delay, sonst Vorsitzender der Beginner, am ersten deutschsprachigen Werk des Genres beinahe in den Wahnsinn. Und kurz darauf, also jetzt, sind auch noch International Pony, zwei Drittel von ihnen mit Rap-Vergangenheit bei den verblichenen Fischmob, auf „Mit dir sind wir vier“ mal wieder ziemlich funky.

Ein Trend, den mancher nun bereits herbeizuschreiben versucht, sind zwei Platten noch lange nicht, also nennen wir es halt eine Konvergenz. Und stellen fest: Damit haben sich die Gemeinsamkeiten dann auch schon erschöpft. Denn Delay singt auf „Mercedes-Dance“ deutsch und mit Botschaft, International Pony auf ihrem zweiten Album dagegen Englisch bis unverständlich. Delay schreibt Songs, bei Pony regieren der Rhythmus und sein mäandernder Charakter. Delay verbindet den Spaß am Tanzen mit dem Willen zur Politik, International Pony verbinden den Spaß am Tanzen mit dem Spaß am Spaß.

Der Spaß begann, als DJ Koze und Cosmic DJ, ihre Anarcho-Hiphop-Kapelle Fischmob war gerade in Auflösung begriffen, im Jahre 1998 auf den Münsteraner Carsten Meyer alias Erobique trafen. In einem Berliner Billighotel, so geht die sorgsam gepflegte Gründungslegende, entstand beim Jammen ein solch magisches Miteinander, dass man in Hamburg zusammenzog. Nur vier Jahre später, schließlich waren alle Beteiligten als DJs und in diversen anderen Projekten beschäftigt, erschien ihr Debutalbum „We Love Music“. Mit dem, so könnte man es retrospektiv interpretieren, bewiesen sie vor allem sich selbst, dass sie souverän und auf internationalem Niveau flotte Funk-, House- und Disco-Tracks produzieren können, die fröhlich den toten Winkel zwischen Chill-out-Zone und Tanzboden füllten.

Das ist nunmehr erledigt, und damit, so scheint’s, haben sie sich den Rücken freigeschaufelt, um nun auf „Mit dir sind wir vier“ zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren. Und diese Wurzeln reichen mitunter weit zurück: „Mit dir sind wir vier“ ist ursprünglich der Titel eines Buches von Robert Gernhardt, das Cosmic DJ in Kindertagen begleitete. Und die Unterzeile von „Our House (In The Middelhoffer Street)“ bezieht sich darauf, dass Erobique in seiner Jugend die Zeile „Our house in the middle of the street“ aus dem Achtzigerjahre-Klassiker von Madness tatsächlich so verstanden hatte.

All das weist darauf hin: Dieses Trio wurde eher von der Neuen Frankfurter Schule geprägt als vom „Sound of Frankfurt“. Nicht, dass man keine gerade Bassdrum zu schätzen wüsste, Koze und Erobique gehören schließlich zu den besten DJs des Landes. Aber bis heute scheut sich das Trio nicht, die eigene Jugend und Kindheit zu einer verklärt klingenden Erinnerung in leuchtenden Bonbonfarben zu verarbeiten. Das ist – wie immer, wenn der Mensch sich seiner Adoleszenz erinnert – leicht melancholisch, vor allem romantisch, aber in diesem Fall auch entschieden ironisch. Und bunt. Sehr bunt.

Einflüsse gibt es ohne Zahl, echte Bezugspunkte aber sind nicht zu finden, zu eigen ist diese Musik. Schließlich: Stets so zielsicher neben den Konventionen der Genres entlangzuschleichen, das wagt sonst niemand hierzulande – und auch international fällt einem auf Anhieb niemand ein, der es mit dem Pony an Fantasie aufnehmen könnte. Denn auch selbst wenn dann doch bekannte Versatzstücke auftauchen und einen Moment zu ausgiebig benutzt werden, rettet der Humor die Unternehmung.

Der war beim Debütalbum vor allem durch die Zwischenspiele und Anmoderationen entstanden, nun findet er auf „Mit dir sind wir vier“ eher in der Musik statt: „Gonzo Grill Party“ glänzt durch die Trommelfelle drangsalierende Spielereien an einem Vibrafon; in „The Royal Pennekaums“ singt Cosmic wie ein Sim, der glaubt Sly Stone zu sein. „Our House“ ist natürlich eine House-Hymne, allerdings und gerade eine Spur zu langsam und so seltsam hochgepitcht, dass am Ende der Eindruck einer Karikatur bleibt; und für „Solid Gold“ hätte Isaac Hayes getötet, wenn er nicht vorher am eigenen Lachen erstickt wäre.

Dem Zuhörer werden so lange systematisch die Ohren verklebt mit warmen Sounds und sexy Rhythmen, dass er irgendwann kapitulierend zur Kenntnis nimmt, dass es keine herkömmlichen Hits zum Festhalten gibt – selbst die aktuelle Single „Gothic Girl“ oder das vor Melodie berstende „Solid Gold“ funktionieren nicht als Lied. Denn prinzipiell sind klassische Strukturen kaum zu finden, weder von Song noch Track. Stattdessen überbordende Opulenz und viele kleine Ideen, geschickt versteckte Gimmicks und detailbesessene Soundtüfteleien, kurz: Ein Trend ist nicht in Sicht, aber wer braucht den, wenn er eine solche Wundertüte öffnen darf.

THOMAS WINKLER

International Pony: „Mit dir sind wir vier“ (Columbia/SonyBMG)