Das 60-Millionen-Euro-Baby

Dreimal so viel Geld wie vorher! Gestern stellte Kulturstaatsminister Bernd Neumann das neue Filmförderungsprogramm vor

VON DIETMAR KAMMERER

Um diesen Auftritt anlässlich der Medienwoche Berlin-Brandenburg kann man den Beauftragten des Bundes für Kultur Bernd Neumann beneiden: Wie oft dürfen sich Politiker von Branchenvertretern dafür feiern lassen, die staatliche Förderung ihres Wirtschaftszweigs verdreifacht zu haben? Seit das Kabinett im Juli beschlossen hat, den Kinofilm mit zusätzlichen 60 Millionen Euro jährlich zu unterstützen – bislang förderte der Bund mit rund 30 Millionen –, ist allenthalben Erleichterung spürbar. Zu lange schon stritt man über das geeignete „Anreizmodell für die Filmwirtschaft“, das den Filmproduktionsstandort Deutschland auf international wettbewerbsfähiges Niveau heben sollte. Nachdem Anfang des Jahres die von niemandem so recht geliebten Medienfonds zum Auslaufmodell erklärt wurden, stieg der Druck umso mehr.

Dann die erlösende Nachricht: Der Kulturstaatsminister und der Finanzminister haben sich geeinigt, das Geld fließt. Statt des aus politischen Rücksichten ursprünglich favorisierten Investorenmodells entschied man sich für das sogenannte Rabattmodell. Das sieht vor, dass der Produzent eines Films zwischen 15 und 20 Prozent der in Deutschland ausgegebenen Produktionssumme vom Staat ersetzt bekommt. Das Ganze ist als Automatismus angelegt: Jeder, der die Mindestkriterien erfüllt, wird die Mittel erhalten. So sollen ausdrücklich auch internationale Großproduktionen in heimische Studios gelockt werden.

Eine frohe Botschaft für eine Produktionslandschaft, die über chronische Unterfinanzierung klagt. Und eine überfällige Angleichung an internationale Standards. In fast allen anderen EU-Staaten gibt es finanzielle Ausnahmeregelungen für die Filmwirtschaft. Tatsächlich imitiert das deutsche Verfahren ein Modell aus Großbritannien. Neumann rechnete vor, dass mit den neuen Mitteln ein jährliches Produktionsvolumen von 300 Millionen Euro finanziert werden könnte. Bislang werden hierzulande pro Jahr rund 200 Millionen Euro zur Herstellung von Kinofilmen ausgegeben. Und ein boomendes Filmland würde langfristig auch dem Finanzminister Mehreinnahmen bringen. Neumann berief sich auf Schätzungen, wonach jeder im Medienbereich eingesetzte Euro sich vervierfachen kann. Sollte sich diese Hoffnung bewahrheiten, will Neumann versuchen, das Modell auch auf Fernsehproduktionen auszudehnen. Zugleich warnte er vor überzogenen wirtschaftlichen Erwartungen an das „besondere ästhetische Gut“ Kinofilm: „Kultur kostet Geld. Es ist richtig, Kultur zu fördern.“

Angesichts dieser Bekenntnisse wunderte es nicht, auf dem anschließenden Diskussionspanel nur strahlende Gesichter zu sehen. Produzent Martin Hagemann freute sich, dass die Gelder ihm einen größeren Freiraum gegenüber Fernsehanstalten erlauben. Endlich sei man als kleiner Produzent nicht länger gezwungen, zur Finanzierung seines Films Verwertungsrechte im Voraus und weit unter Preis ans Fernsehen zu verkaufen. Carl Woebcken von Studio Babelsberg plädierte dafür, die augenblicklich auf drei Jahre begrenzte Maßnahme möglichst bald zu evaluieren und sie dann gesetzlich festzuschreiben. Neben der Finanzspritze scheint vor allem ein Effekt der Branche gut getan zu haben: die Tatsache, dass man sich über alle internen Differenzen hinweg länger an einen Tisch setzen musste. Jetzt komme es vor allem darauf an, so der Konsens auf dem Panel, diese Solidarität zu bewahren, anstatt auseinanderzugehen und „nur den eigenen Vorgarten zu beackern“.