Kosovo-Gespräche gefährdet

Eklat um Aussage des UN-Unterhändlers Ahtisaari: Belgrad fordert von ihm eine Entschuldigung, andernfalls stünden die Verhandlungen mit Priština in Frage

Serben empören sich über Vorwurf einer Kollektivschuld durch den UN-Vermittler

BELGRAD taz ■ Die Verhandlungen über den Status des Kosovo stehen auf der Kippe. Der verbale Schlagabtausch zwischen Belgrad und UN-Chefunterhändler Martti Ahtisaari ist in den vergangenen Tagen eskaliert. Ahtisaari müsse sich wegen seiner Erklärung über die „Kollektivschuld der Serben“ entschuldigen, fordert die Regierung. Sonst stelle er seine Rolle eines unparteiischen Vermittlers und die Gespräche über den künftigen Status des Kosovo zwischen Belgrad und Priština in Frage.

Belgrad ruft UN-Generalsekretär Kofi Annan auf, Stellung zu den „unerhörten Äußerungen“ seines Sondergesandten zu nehmen. Ähnlich wie Ahtisaari hätten in der Geschichte Ideologen des Chauvinismus über Serben, Juden und Roma gesprochen, so ein Regierungssprecher. Auch die Synode der serbisch-orthodoxen Kirche, die Akademie der Wissenschaften und Künste sowie der Nationalrat der Roma in Serbien verurteilten scharf die „skandalöse Hassrede“ des finnischen Diplomaten.

Ahtisaari werde sich nicht entschuldigen, erklärte seine Sprecherin. Denn die These von der „Kollektivschuld“ sei aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert worden. Von wegen, konterte Serbiens Premier Vojislav Koštunica. Ahtisaaris Aussage sei „in ihrer Brutalität eindeutig und ideologisch geprägt“. Er habe die Serben gebrandmarkt, indem er sagte, dass sie als Volk schuldig seien, und deshalb seien nun alle Ausreden über den Kontext sinnlos.

Auch das serbische Verhandlungsteam wirft Ahtisaari vor, sich herausreden zu wollen. Er soll am 8. August in Wien mehrere Argumente der serbischen Seite buchstäblich mit der Begründung abgewürgt haben: „Yes, but you are guilty as a nation“, erklärte der Berater des serbischen Premiers, Dušan Bataković. Belgrads schriftliche Aufforderung zu einer Stellungnahme soll Ahtisaari ignoriert haben. Vorige Woche hatte Ahtisaari in Priština erklärt, das politische Erbe von Milošević und die historische Verantwortung der Serben könnten im Verhandlungsprozess nicht ignoriert werden.

Dušan Janjić vom „Forum für ethnische Beziehungen“ meint dagegen, Serbien müsse seine historische Belastung eingestehen. Die Vorurteile und das schlechte internationale Image würden durch eine Rhetorik, die an Milošević erinnere, nur noch schlechter. Denn dann reagiere die internationale Gemeinschaft nach der alten Formel, nämlich Serbien für die Untaten von Milošević zu bestrafen. Die Kosovo-Gespräche sollen am 7. September in Wien fortgesetzt werden.

Gestern übernahm die Bundeswehr das Kommando über die Kosovo-Friedenstruppe KFOR. Bundesverteidigungsminister Jung reiste zur Kommandoübergabe nach Prizren, wo die 2.900 deutschen Soldaten stationiert sind. Der deutsche Generalleutnant Kather übernimmt vom italienischen General Valotto das Kommando über insgesamt 17.000 KFOR-Soldaten. Ebenfalls gestern übernahm der deutsche Diplomat Rücker die Leitung der UN-Verwaltung im Kosovo. ANDREJ IVANJI
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