SERBIENS POLITIKER VERWEIGERN SICH BEIM KOSOVO WEITER DER REALITÄT
: Es geht nicht um Gerechtigkeit

Wenn Serbiens Spitzenpolitiker mit ihren Angriffen auf UN-Chefunterhändler Martti Ahtisaari innenpolitisch Stärke zeigen wollten – es wäre ein gefährliches, aber nachvollziehbares Spiel. Etwa, weil sie die Auseinandersetzung später als Alibi für ein eventuelles Scheitern Serbiens bei den Kosovo-Statusverhandlungen verwenden wollten. Immerhin hat das, was der UN-Vertreter – unbesonnen, oder bewusst – über Schuld und Sühne der Serben gesagt haben soll, so manche Serben tödlich beleidigt, antiwestliche Kräfte in Serbien gestärkt und die Legitimität der UN belastet. Aber die harten Töne aus Belgrad sind kein taktisches Manöver.

Tatsächlich lässt sich die serbische Führung auf einen überflüssigen Konflikt mit der internationalen Gemeinschaft ein, den sie nicht gewinnen kann. Wenn Serbiens Präsident und Premier sagen, sie würden einer Unabhängigkeit des Kosovo niemals zustimmen, dann wollen sie nicht feilschen – sie meinen das genau so. Dahinter steckt kein Plan, wie man für die Unabhängigkeit der „Wiege des Serbentums“ so viel als möglich herauszuschlagen könnte, etwa einen kürzeren Weg in die EU oder Visaerleichterungen. Ein Serbien ohne Kosovo ist für die serbischen Politiker schlicht unvorstellbar. Daher überhören die Volksvertreter in Serbien auch die (immer noch) diplomatisch verpackten Signale aus Brüssel, Washington und der Kontaktgruppe, die deutlich besagen: Der UN-Sicherheitsrat wird der südserbischen Provinz bald, wahrscheinlich noch bis zum Jahresende, eine bedingte Unabhängigkeit zugestehen. Auch Ahtisaaris Anspielung auf die „historische Verantwortung der Serben im Kosovo“ geht in diese Richtung.

Die serbische und albanische Vorstellung von Gerechtigkeit in der Causa Kosovo sind unvereinbar. Priština beharrt auf Unabhängigkeit, Belgrad lehnt diese kategorisch ab. Es geht aber nicht um Gerechtigkeit, sondern um die Macht der Albaner im Kosovo – und um die Unfähigkeit Serbiens, sein formales Territorium ohne die Zustimmung der UN zu behalten. Damit können sich Serbiens Politiker können sich nicht abfinden. Deshalb manövrieren sie das Land immer tiefer in einen Konflikt mit der internationalen Gemeinschaft hinein, bei dem Serbien nur verlieren kann. ANDREJ IVANJI