Berlin hat die Wahl

Ob Berlin in den nächsten fünf Jahren von einem rot-roten oder einem rot-grünen Senat regiert wird, liegt in der Hand der WählerInnen. Wie beide Regierungskonstellationen aussehen könnten – die taz hat sich umgehört. Von UWE RADA

ROT +++ROT
Klaus Wowereit

Der Regierende Bürgermeister (SPD) hat bei Fortsetzung von Rot-Rot mehr Spielraum als bisher. So könnte er die Kultur als Verwaltung auflösen und der Senatskanzlei unter André Schmitz zuschustern. Damit wäre auch das Problem mit Kultursenator Flierl (PDS) gelöst, den die SPD nicht mehr im Kabinett will.

Thilo Sarrazin

Nicht nur der Regierende bleibt derselbe, sondern auch sein Finanzsenator. Zwar fällt Thilo Sarrazin (SPD) durch allzu offene Worte auf und bezeichnet sich auch als innerparteilichen Oppositionsführer. Aber keiner außer dem obersten Sanierer ist imstande, die für Berlin nötigen Milliarden aus Karlsruhe herbeizuschaffen.

Carola Bluhm

Mit ihr könnte für die Linkspartei eine Newcomerin kommen. Dass sie noch nicht Senatorin ist, lag bisher nur daran, dass sie nicht wollte. Jetzt kann sein, dass sie muss. Zum Beispiel als Nachfolgerin von Bildungssenator Klaus Böger. Dass die PDS mit der Gemeinschaftsschule nicht ausreißt, kann der Koalitionsvertrag festlegen.

Harald Wolf

Eine sichere Bank für die Linkspartei.PDS ist Wirtschaftssenator Harald Wolf. Deswegen wird unter Rot-Rot auch SPD-Fraktionschef Michael Müller nicht in den Senat aufrücken. Die Auflösung des Kulturressorts kann dazu führen, dass Wolf zusätzlich noch Wissenschaft und Forschung bekäme – er wäre Berlins Zukunftssenator.

I. Junge-Reyer

Die Supersenatorin der SPD bliebe Ingeborg Junge-Reyer. Sie gilt als gesetzt, wenn auch nicht unbedingt im Amt. Zwar bestreitet niemand die Entscheidungsfreude der Nachfolgerin von Peter Strieder. Öffentlich macht sie aber, weil zu spröde, kaum Punkte. Unter Rot-Rot aber macht ihr niemand die Stadtentwicklung streitig.

Christoph Flügge

Streitig wird das Amt aber einer anderen gemacht, nämlich Justizsenatorin Karin Schubert (SPD). Die Flucht von Häftlingen könnte ein Grund für ihre Ablehnung sein, zumal es einen möglichen Nachfolger in ihrer Verwaltung gibt: Staatssekretär Christoph Flügge. Hinter Karin Schubert stehen aber die Frauen in der SPD. Es wird spannend.

H. Knake-Werner

Nicht ganz sattelfest ist auch PDS-Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner. Wenn die Linkspartei.PDS trotz erwarteter Stimmenverluste weiterhin drei Senatorenposten bekommt, dürfte sie aber im Senat bleiben. Ansonsten wäre ihr Ressort auch für Carola Bluhm geeignet. Vor fünf Jahren musste Knake-Werner übrigens gebeten werden.

Ehrhart Körting

Zu guter Letzt, einfach weil man darüber gar nicht sprechen muss, Innensenator Ehrhart Körting. Trotz mancher umstrittener Abschiebung sitzt der SPD-Politiker fest im Sattel. Auch beim Koalitionspartner Linkspartei.PDS. Schließlich ist Körting unter den Innenministern der Republik noch der liberalste.

ROT+++GRÜN
Klaus Wowereit

Auch unter Rot-Grün wird der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) versuchen, das Kulturressort für André Schmitz in die Senatskanzlei zu holen. Trotz der erwartbaren Proteste aus der Kulturszene und in den Feuilletons ist dies möglich, weil die grüne Kulturpolitikerin Alice Ströver nicht Senatorin werden möchte. Sonst heißt es über Wowereit, er würde die Grünen nicht mehr so rund machen wie beim rot-grünen Sommersenat 2001.

F. Eichstädt

Erst bei Stattbau, dann Kreuzberger Baustadträtin, schließlich Bauexpertin im Bundestag. Für die Grünen steht fest, dass ihre Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig Stadtentwicklungssenatorin werden muss. Das will zwar auch Ingeborg Junge-Reyer, die bisherige Amtsinhaberin, bleiben. Doch als Koalitionspartner wollen die Grünen nicht mit Miniressorts abgespeist werden. Die Spitzenkandidatin als Supersenatorin, das wär was.

I. Junge-Reyer

Wie Franziska Eichstädt-Bohlig saß auch Ingeborg Junge-Reyer als Stadträtin im Kreuzberger Bezirksamt – und zwar als SPD-Sozialstadträtin. Warum also soll sie unter Rot-Grün nicht Sozialsenatorin werden, denkt manch einer und argumentiert damit, dass neben Gesundheit dazu auch wieder Arbeit kommen könnte. Vorausgesetzt natürlich, Kultur geht in die Senatskanzlei und Wissenschaft und Forschung werden der Wirtschaft zugeschlagen.

Michael Müller

Wer unter Rot-Grün Wirtschaftssenator wird, steht fest: Michael Müller. Manche munkeln gar, er setzte sich deshalb so für Rot-Grün ein, um in den Senat zu kommen. Auch eine potenzielle Nachfolgerin an der Fraktionsspitze ist bereits im Gespräch: Baustaatssekretärin Helga Dunger-Löper. Für den immer eloquenter werdenden Müller wäre der Weg damit frei. Erst recht, wenn der ehemalige Drucker aus Tempelhof zur Wirtschaft auch noch Wissenschaft und Forschung bekäme. Darüber hinaus könnte sich Müller, falls aus Wowereit mal etwas in der Bundespolitik werden sollte, als potenzieller Nachfolger des Regierenden Bürgermeisters in Szene setzen.

Sibyll Klotz

Sie könnte die Überraschung im rot-grünen Senat werden: Bildungssenatorin Sibyll Klotz. Eigentlich ist die Grüne ja Arbeitsmarktexpertin. Aber wer sich in diesem Dschungel auskennt, den kann auch die Schule nicht mehr schrecken. Mit anderen Worten: Klotz gilt als senatorabel, und wer senatorabel ist, kann heutzutage alles. Die SPD jedenfalls scheint nichts dagegen zu haben. Sie dient den Grünen das Bildungsressort geradezu an.

Volker Ratzmann

Der dritte Grüne im rot-grünen Bunde bekommt, so jedenfalls die Gedankenspiele, das Justizressort. Auch das ist ein rotes Abfallprodukt, weil Teile der SPD Justizsenatorin Karin Schubert loswerden wollen. Wer aber wird grüner Justizsenator: Examtsinhaber Wolfgang Wieland? Oder Fraktionschef Volker Ratzmann? Die Antwort des Spiegels ist eindeutig. Mit Wieland und Eichstädt-Bohlig würden die Grünen ein „Oldie-Duo“ bilden. Also dann doch lieber Ratzmann.

Thilo Sarrazin

Der Finanzsenator bleibt natürlich auch unter Rot-Grün im Amt. Durchaus möglich aber, dass dem SPD-Politiker und SPD-Schreck dann seine Rolle als regierungsinterne Opposition abhandenkommt. Die wird nämlich auch den zickigen Grünen gerne zugetraut. Es sei denn, die Ökopaxe haben inzwischen Manieren bekommen und werden auf den Senatssesseln genauso pflegeleicht, wie die Senatoren von der Linkspartei es in den letzten fünf Jahren waren.

Ehrhart Körting

Noch bei der ersten rot-grünen Regierung 1989 führte die Konstellation SPD-Innensenator und grüner Koalitionspartner zu einem Dauerstreit. Doch damals ging es noch um die Räumung besetzter Häuser. Die wollte Innensenator Erich Pätzold weghaben, während die Grünen sie behalten wollten. Heute geht es eher darum, welche Flüchtlinge Innensenator Ehrhart Körting weghaben will und die Grünen behalten wollen. Da könnte noch Musik drin sein.