AKW-Panne: Geheime Gespräche

Neuer Zoff um das AKW Brunsbüttel: Union verhindert öffentliche Sitzung des Bundestagsausschusses für Reaktorsicherheit. Und in Kiel wächst der Druck auf Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Denn sie räumt Betreibern immer neue Fristen ein

VON NICK REIMER

„Unsere Geduld ist zu Ende“, erklärt Sylvia Kotting-Uhl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen. Vor einer Woche hatte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) einen Sicherheitsnachweis der Notstromversorgung des AKW Brunsbüttel gefordert. Eine Woche später ist dieser Nachweis immer noch nicht erbracht – trotzdem läuft Brunsbüttel weiter. Deshalb haben die Grünen eine Sondersitzung des Bundestagsausschusses für Umwelt und Reaktorsicherheit beantragt, die morgen stattfindet. „Wir wollen erreichen, dass Brunsbüttel sofort stillgelegt wird“, so Kotting-Uhl zur taz. Alle Unterlagen hätten gezeigt, dass „der geforderte Sicherheitsnachweis nicht zu erbringen ist“.

Pikant an der Sondersitzung ist, dass sie hinter verschlossenen Türen stattfinden wird. Zwar hatten die Bündnisgrünen Öffentlichkeit beantragt, „die CDU aber hat das verhindert“, so Kotting-Uhl. Ein Skandal, wie Eva Bulling-Schröter von der Linkspartei findet: „Gerade weil das Thema die öffentliche Sicherheit betrifft, gehört es auch in die Öffentlichkeit“, so die stellvertretende Ausschussvorsitzende. Die Linkspartei hat die Tagesordnung erweitert. „Neben Brunsbüttel wird es auch um das tschechische AKW Temelín und den Reaktor Isar II gehen“, so Bulling-Schröter. Die Temelín-Betreiber mussten gerade den 91. Störfall seiner Geschichte einräumen. Im bayerischen Block Isar II – laut Bulling „baugleich zu Forsmark“ – sei die Notkühlung mehrstündig ausgefallen.

„Die Sitzung ist nur anberaumt, damit Grüne und Linke die SPD weiter unter Druck setzen können“, urteilt Horst Meyerhofer, der die FDP im Ausschuss vertritt. Deutsche AKWs gehörten zu den sichersten der Welt. In der SPD wiederum wundert man sich, dass die Grünen so lange gebraucht haben, die Folgen von Forsmark für sich zu entdecken. Die Grünen werfen der CDU „Heilige-Kuh-Mentalität“ vor. Kotting-Uhl: „Die Sicherheit der Anwohner steht hinter der ideologisch verbohrten Haltung zu Atomstrom.“

Vor einem vorschnellen Abschalten des AKW Brunsbüttel warnt dagegen der SPD-Energiepolitiker Marco Bülow. Klar sei, dass Sicherheit vorgehe. „Wenn man das AKW aber jetzt runterfährt, um – wie in Schweden – dann die Umstände weiter zu prüfen, gerät der Abschalttermin 2009 in Gefahr.“ Der sei kein „fixes Datum“, sondern an „fixe Reststrommengen“ gebunden.

Unterdessen wächst der Druck auf Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD), oberste Atomaufseherin im nördlichsten Bundesland. „Wie lange will sich Frau Trauernicht noch von Vattenfall an der Nase herumführen lassen“, fragt Rainer Baake, seit gestern neuer Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Baake, der Staatssekretär von Umweltminister Trittin war, verlangte von Trauernicht, „unverzüglich eine aufsichtliche Anordnung mit einer klaren, knappen Frist zu erlassen“. Sollte die Frist wiederum verstreichen, ohne dass der Konzern Sicherheitsnachweise liefert, „muss das AKW stillgelegt werden“.