Buddelbeginn in Schönefeld

Nach rund 15 Jahren Planung beginnt heute offiziell der Bau des neuen Zentralflughafens. Im Herbst 2011 soll Berlin Brandenburg International (BBI) an den Start gehen – und natürlich Jobs schaffen

von RICHARD ROTHER

In diesem Jahr geht es mit dem neuen Zentralflughafen der Region, dem Berlin Brandenburg International (BBI) Schlag auf Schlag. Erst gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz grünes Licht für den Flughafen, und heute beginnt mit dem ersten Spatenstich der Bau des größten Infrastrukturprojektes offiziell.

Die verantwortlichen Vertreter der drei Bauherren – die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund – lassen es sich nicht nehmen, den Baubeginn in Schönefeld am südöstlichen Stadtrand Berlins öffentlich zu begleiten. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der Brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (alle SPD) wollen heute persönlich den Spaten schwingen – und ein wenig spricht aus dieser symbolischen Geste Stolz.

Die Bauphasen

Denn immerhin hat es fast 15 Jahre gedauert, bis aus den Planungen zu einem neuen Flughafen für die Hauptstadtregion Wirklichkeit werden konnte – zumindest die einer Baustelle. Bis zum geplanten Eröffnungstermin Ende Oktober 2011 ist allerdings noch viel Beton in die Erde zu kippen. Schon vor dem offiziellen Baustart, der Wowereit knapp zwei Wochen vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl gut ins Konzept passen dürfte, hatten die Vorbereitungen begonnen. Seit einigen Wochen werden Baustraßen und ein Containerdorf für die Baustellenleitung errichtet. Die Arbeiten gehen nach dem ersten Spatenstich weiter, auch wird ein zentrales Betonmischwerk gebaut.

Im nächsten Jahr sollen die Bauarbeiten für den unterirdischen Bahnhof beginnen, in dem ICE-, Regionalbahn- und S-Bahn-Züge direkt unter dem Abfertigungsgebäude halten können. Zudem sollen Anlagen zur Ver- und Entsorgung errichtet werden, auch sind künftige Rollbahnen für die Flugzeuge geplant. Die bisherige nördliche Start-und-Lande-Bahn des Flughafens Schönefeld wird abgerissen; die bisherige Südbahn wird nach den BBI-Planungen verlängert und durch eine weitere, 4.000 Meter lange Bahn im Süden ergänzt. Das Terminal befindet sich dann zwischen beiden Bahnen. Im Herbst nächsten Jahres soll schließlich auch der Flughafen Tempelhof stillgelegt werden – ein Termin, der sich immer wieder verzögerte.

Die Finanzierung

2008 beginnen die Bauarbeiten für das Passagierterminal, ein Jahr später wird der unterirdische Bahnhof ausgebaut und technisch ausgerüstet. Im Mai 2011 soll das gesamte technische System des Flughafens seinen Probebetrieb beginnen, bevor er Ende Oktober 2011 eröffnet wird. Im Frühjahr 2012 soll dann der Flughafen Tegel vom Netz gehen.

Der neue Flughafen wird insgesamt 970 Hektar groß sein, das entspricht etwa 2.000 Fußballfeldern. Das Mittelfeld-Terminal soll sechs Geschossebenen haben und in der Startversion zunächst rund 22 Millionen Fluggästen jährlich Platz bieten. Der Flughafen ist auf bis zu 40 Millionen Passagiere erweiterbar, je nach Bedarf. Die reinen Baukosten sollen sich auf rund 2 Milliarden Euro belaufen, die die Eigentümer und die Flughafengesellschaft aufbringen. Hinzu kommen die Kosten für die Straßen- und Schienenanbindung sowie für Gebäude im Umfeld – etwa für Parkhäuser, Hotels, Konferenzzentrum.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes muss es beim Nachtflugverkehr Einschränkungen gegenüber den ursprünglichen Planungen geben – die der Bevölkerung eines vorstädtisch besiedelten Gebietes nicht zumutbar waren. Künftig gilt nachts von 0 bis 5 Uhr ein Flugverbot, das nur in Notfällen oder bei Verspätungen außer Kraft gesetzt werden darf. Einschränkungen gibt es auch in den sogenannten Nachtrandstunden von 22 bis 24 Uhr sowie von 5 bis 6 Uhr.

Vielen Fluggesellschaften gingen diese Einschränkungen beim Flugverkehr zu weit. Sie wollten am liebsten rund um die Uhr fliegen dürfen, weil das ihre Flexibilität und die Auslastung ihrer Maschinen steigert. Die Billigfluglinie EasyJet mischte sich zuletzt gar öffentlich in die Planungen des neuen Flughafens ein. Sie kritisierte, dass er zu groß und zu teuer werden könnte – was nicht zuletzt zum Anstieg der Flughafengebühren führen könnte und damit das eigene Geschäft betreffen würde.

Die Flughafenplaner wiesen die Vorwürfe zurück; in Schönefeld werde sowohl an die traditionellen als auch an die Billig-Fluggesellschaften gedacht, hieß es. Es gebe in Europa genügend Beispiele, wo beide Geschäftsmodelle an einem Flughafenstandort funktionierten.

Visionen und Illusionen

Beim ersten Spatenstich werden wieder viele euphorische Reden geschwungen werden. So soll der neue Flughafen bis zu 40.000 neue Jobs in die gebeutelte Region bringen, und er soll ein wichtiger europäischer Großflughafen werden.

Das griffige „40.000 neue Jobs“ mag übertrieben klingen, zumal an den zu schließenden Standorten Stellen in Tempelhof und Tegel wegfallen – unbestreitbar ist aber, dass ein steigendes Passagieraufkommen in Berlin mehr Beschäftigung am Flughafen und in seiner Umgebung nach sich ziehen wird.

Sicher wird der neue Flughafen kein internationales Drehkreuz wie Frankfurt, Amsterdam oder Paris werden, auch wenn die ökonomisch sinnlose Zersplitterung des Berliner Luftverkehrs aufgehoben sein wird. Dennoch dürfte BBI von einem Umstand profitieren: Wer von Berlin nach Ostasien fliegt, braucht etwa eine Stunde weniger, als wenn er von anderen deutschen oder westeuropäischen Flughäfen starten würde. Hin und zurück ergeben sich so für die Fluggesellschaften enorme Zeit- und Kostenvorteile.

Der neue Flughafen, der durch die Schließung von Tegel und Tempelhof weite Teile der Innenstadt vom Fluglärm entlastet, hat also durchaus Potenzial. Letztlich ist er aber nichts weiter als die Überwindung der Berliner Teilung im Luftverkehr. Dass nun ein zeitgemäßer Flughafen entsteht, ist damit nur eine nachzuholende Modernisierung – ohne die Berlin und Brandenburg wirtschaftlich noch weiter abgehängt werden würden.