zwischen den rillen
: Funkmeldungen aus den Jungsparadiesen

Zwischen den Stilen: „Dreams“ von der Berliner Band Whitest Boy Alive und und „So This Is Goodbye“ von den Junior Boys

Der September ist da, und auch wenn das Jahr noch lange nicht vorbei ist: In Anbetracht all der Platten, die nun ins Herbstgeschäft geschickt werden, zeichnet sich doch langsam, aber deutlich ein interessantes Jahr in der Popmusik ab. Denn der Umstand, dass kein großer Trend abzusehen ist, geht mit der Veröffentlichung einer ganzen Reihe ganz wunderbarer Platten einher – als würde die Abwesenheit einer dominierenden Klangerzählung an allen Ecken und Enden Räume für die unterschiedlichsten Künstlersubjektivitäten öffnen. Wie sollte man sonst die so großartigen wie grundverschiedenen Platten von den Arctic Monkeys, Hot Chip, Blumfeld, Carl Craig, Gnarls Barkley und Scritti Politti miteinander verklammern?

Oder eben The Whitest Boy Alive, die Band von Erlend Øye, der vor einigen Jahren bekannt wurde, als er mit dem Debütalbum seiner Band Kings Of Convenience die „Quiet Is The New Loud“-Bewegung lostrat. Dann zog es ihn von Norwegen nach Deutschland, er entdeckte den Berliner House-Sound und fing an, DJ-Sets zu spielen, bei denen er zu seinen Platten sang.

Für The Whitest Boy Alive hat er sich mit Marcin Oez zusammengetan, der es in den frühen Nullerjahren als DJ Highfish mit seiner Residency im Berliner Club WMF ebenfalls zu einigem Ruhm brachte, weil er als einer der Ersten jenen von düsterer Achtzigerjahre-Elektronik beeinflussten Sound spielte, der dann als Electroclash im Rest der Welt für eine Saison mit Berlin assoziiert werden sollte.

„Dreams“, das Debüt von The Whitest Boy Alive, ist von beiden Soundentwürfen ungefähr gleich weit entfernt. Am ehesten erinnern die Songs an die Swimming-Pool-Funk-Momente einer Band wie Steely Dan. Ohne die kokainklare Studiomuckerperfektion freilich. Diese Musik hat ihre Yachthafen-Augenblicke – aber vor allem in der glücklich-melancholischen Relaxtheit, die sich durch die Stücke zieht. Mal bleibt sie instrumental, mal singt Erlend Øye ein paar verrätselte Zeilen, immer ist es das wunderbare Zusammenspiel von Oez’ in den hohen Lagen gespieltem Bass und Øyes dagegengesetzten Gitarrenläufen, die diese Songs in einer beglückenden Schwebe hält. Es ist ein Sound, der gleichermaßen zum Zuhören einlädt, wie er nebenbei mitlaufen kann: an einem Pool etwa, in mittlerer Lautstärke live eingespielt.

Das Einzige, was sich gegen „Dreams“ einwenden ließe – abgesehen davon, dass sie ein paar Wochen zu spät kommt, der Sommer geht schließlich seinem Ende entgegen, und eine perfektere Sommerplatte als „Dreams“ dürfte es kaum geben –: die großartigen Coverversionen von diversen House-Klassikern, die The Whitest Boy Alive so gerne zum Abschluss ihrer Konzerte spielen, haben es nicht auf die Platte geschafft.

Ganz anders und doch verwandt: die kanadische Band Junior Boys und ihr zweites Album „So This Is Goodbye“. Eine wunderbare Platte elektronischer Popmusik, die The Whitest Boy Alive vor allem durch die Offenheit verbunden ist, mit der sich aus Pop und Dance einverleibt werden.

Interessanterweise haben die Junior Boys einen Großteil ihrer Platte im Düsseldorfer Studio von Mouse On Mars eingespielt, mit denen sie sich auf einer gemeinsamen US-Tour angefreundet hatten. Von deren Soundästhetik sind sie allerdings weit entfernt – eher sind sie einem Retro-Konzept verpflichtet, wie man es auch bei Metro Area finden kann: alte Sounds in neue und offene Arten des Arrangierens einfließen lassen.

In ihrer Mischung aus perfektem Songwriting, ganz großem Jungsgeschluchze, spärlichen Arrangements, denen man die frühen House-Einflüsse anhört, und Basslines, die eine tiefe Liebe zu alten Discoplatten verraten, spielt „So This Is Goodbye“ natürlich zuallererst in der glücklichen Sicherheit des vernerdeten Jungszimmers. Doch ihr Schwarzlicht leuchtet heraus in die Welt. TOBIAS RAPP

The Whitest Boy Alive: „Dreams“ (Bubbles/RTD). Junior Boys: „So This Is Goodbye“ (Domino/RTD)