Wettstreit der Worte

Spitzenpolitiker stellen sich jungen Debattier-Meistern zu einem Redewettstreit. Von den Parteien im Abgeordnetenhaus fehlte nur die SPD

von JONAS MOOSMÜLLER

„Nur der Ethikunterricht kann die Grundsätze unserer Demokratie objektiv vermitteln“, argumentiert die 18-jährige Ariane Jordan gegen die Einführung eines Wahlpflichtfachs Ethik/Religion. Nach einer kurzen Pause wendet sie sich lächelnd an ihr Gegenüber: „Sie stimmen mir doch zu, Herr Pflüger, dass der Religionsunterricht nicht wertfrei ist?“ Der Spitzenkandidat der Berliner CDU hat aufmerksam zugehört, nickt kurz und hält dagegen: „Aber im Grundgesetz gibt es auch einen Gottesbezug, und deshalb wollen wir eine echte Wahlfreiheit zwischen Religions- und Ethikunterricht.“

Ariane Jordan hat 2004 den Landeswettbewerb „Jugend debattiert“ gewonnen. Zusammen mit drei anderen redebegabten Schülern hatte sie gestern die Möglichkeit, direkt mit den Spitzenkandidaten der Parteien über aktuelle Streitthemen der Landespolitik zu diskutieren. Die Veranstaltung war der Startschuss für die sogenannte Juniorwahl Berlin, bei der Jugendliche probehalber ihre Stimme für die Abgeordnetenhauswahlen abgeben können. Ziel der „Trockenübung“ ist es, die Politikverdrossenheit Jugendlicher zu überwinden, indem Demokratie geübt und erlebt wird. Ein wichtiger Teil davon sei die politischen Diskussion, sagte der „Jugend debattiert“-Trainer Heiko Carrels, der die Veranstaltung moderierte.

Zum Wortduell mit den jungen Redekünstlern stellten sich vor einem Publikum aus etwa 100 „Juniorwählern“ neben dem CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger auch Martin Lindner, Fraktionsvorsitzender der FDP, und Franziska Eichstädt-Bohlig von den Grünen. Den PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf vertrat der Landesvorsitzende Klaus Lederer.

Streitfragen der auf zehn Minuten begrenzten Rededuelle waren neben dem Ethikunterricht die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, die Erhebung von Studiengebühren und der mögliche Bau eines Kohlekraftwerks. Dabei konnten die jungen Redner ihren erfahrenen Gesprächspartnern durchaus Paroli bieten.

So stritt beispielsweise der erst 17-jährige Nicolas Erd aus Reinickendorf kompetent gegen die Einführung von Studiengebühren: „Bevor das Land Studiengebühren einführt, muss es erstmal den eigenen Finanzierungsauftrag erfüllen“, hielt der Schüler dem FDP-Politiker Lindner vor. So seien beispielsweise der Universität Tübingen mehr staatliche Mittel gekürzt worden, als sie durch Studiengebühren einnehme. „Der Staatsanteil an der Universitätsfinanzierung darf natürlich nicht gekürzt werden“, gab der FDP-Politiker dem Schüler letztlich recht.

Nach den Diskussionsrunden mussten sich die Politiker auch die kritischen Nachfragen der Juniorwähler im Publikum anhören: So beschwerten sich zwei Schülerinnen: „Wir sehen hier einen toll eingerichteten Saal, aber in unserer Schule ist die Sporthalle geschlossen, und nicht einmal die Toiletten funktionieren richtig.“ Das Ergebnis der Juniorwahl, an der mehr als 5.000 Jugendliche teilnehmen, wird am 17. September unter www.junior wahl.de veröffentlicht.

Für Aufregung sorgte nach Beendigung der Veranstaltung das Wegbleiben eines SPD-Vertreters. „Wir haben zig mal probiert, Klaus Wowereit zu einer Teilnahme zu bewegen, wurden aber immer wieder abgebügelt“, sagte auf Nachfrage Gerald Wolf, der die Juniorwahl organisiert hat. Erst als die Veranstaltung auf große Medienresonanz gestoßen sei, habe sich die SPD wieder gemeldet. „Ein solches Verhalten gehört einfach nicht zum guten Ton“, zeigte sich Wolf erbost. Thorsten Metter, der Pressereferent der SPD-Fraktion, zeigte sich hingegen „verärgert“ darüber, dass die PDS einen Ersatzkandidaten schicken durfte, nicht aber die SPD.