Große Koalition für Umweltsauerei

Die Bundesregierung beteiligt sich an Millionenkredit für das umstrittene Öl- und Gasprojekt Sachalin II

BERLIN taz ■ Harscher kann die Kritik kaum ausfallen: „Der Ruf der Osteuropabank steht auf dem Spiel“, sagt Ute Koczy, entwicklungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen. Sie wirft der großen Koalition „den geplanten Mord an den letzten einhundert westpazifischen Grauwalen“ vor, weil der Bund einem Kredit der Osteuropabank für das umstrittene Öl- und Gasprojekt auf der russischen Insel Sachalin zustimmen will.

Sachalin II ist weltweit das derzeit größte Öl- und Gasförderprojekt. Der britisch-niederländische Shell-Konzern investiert 20 Milliarden Dollar (15,6 Milliarden Euro). Beteiligt sind zudem die japanischen Unternehmen Mitsui mit 25 Prozent und Mitsubishi mit 20 Prozent.

Was nach westlichem Know-how und zivilisierten Standards klingt, entpuppt sich auf der ostrussischen Pazifikinsel als gigantische Umweltsauerei: Der Bau einer 800 Kilometer langen unterirdische Pipeline quer durch Sachalin habe nach Angaben von Ökologen vor Ort hunderte Flussläufe verschlammt – was bereits die wirtschaftlich wichtigen Lachsbestände hat einbrechen lassen. Vor dem Gas-Verlade-Terminal im Süden Sachalins verklappten die Baufirmen große Mengen Bauschutt in der ökologisch sensiblen Aniva-Bucht. Doug Norlen von der US-Organisation Pacific Environment kritisiert, dass noch nicht einmal ein Radarleitsystem für die Tanker geplant sei.

Trotzdem soll nun die in London ansässige Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE/Osteuropabank) einen 400-Millionen-US-Dollar-Kredit mit deutschem Segen billigen. Deutschland gehört mit acht Prozent zu den größten Anteilseignern der EBWE. Der Bundestag hatte in der vergangenen Woche mit den Stimmen von Union und SPD dem Kreditantrag zugestimmt.

Die Entscheidung stößt unter Umweltexperten auf Widerstand: Volker Homes vom WWF sagt: „Einzige Bedingung [für den Kredit, d. Red.] soll die Zusage der Projektführung sein, ökologische Schäden möglichst zu vermeiden. Das sind Scheinauflagen.“ Nach WWF-Angaben ergab eine von Shell selbst in Auftrag gegebene Studie, dass bereits die Bauarbeiten die letzten westpazifischen Grauwale bedrohten. Die geplanten Off-Shore-Terminals lägen zum Teil mitten in den Nahrungsgründen der seltenen Tiere. Sylvia Kotting-Uhl, umweltpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen: „Die abzusehende Schädigung nur so weit wie möglich zu vermeiden reicht uns für eine Zustimmung [zu dem Kredit] nicht aus.“

Tatsächlich hatte noch im Mai letzten Jahres die Osteuropabank die Prüfung von Shells Kreditantrag wegen Umweltbedenken abgelehnt. Ende 2005 aber erklärte Bankpräsident Jean Lemierre: „Shell hat die Dokumentation seines Antrags verbessert. Er enthält neue Informationen und Strategien zum Umgang mit den Umweltrisiken.“ Den Grünen reicht das nicht. Sie wollen im Herbst den Bundestag mit einem Gegenantrag beschäftigen.

NICK REIMER