DIE WÄHLER HABEN DEN KONGO UNREGIERBAR GEMACHT. DAS IST GUT SO
: Es geht auch ohne starken Mann

Man muss den Kongolesen ein Kompliment machen. Mit ihrem Wahlverhalten bei der Präsidenten- und Parlamentswahl haben sie politische Mündigkeit bewiesen. Sie haben sich nicht einfach hinter den erstbesten Demagogen gestellt, sondern sorgfältig zwischen der Wahl des zukünftigen Staatschefs und der ihrer zukünftigen Wahlkreisabgeordneten unterschieden. Damit haben sie allen Möchtegernführern, die da meinten, mit viel Geld, lautem Gebrüll und hohlen Sprüchen das Volk kaufen zu können, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Niemand hat jetzt eine Mehrheit, keine stabile Koalition ist in Sicht, kein einziger Landesteil kann als sichere Bastion gelten. Das ist das Fazit der Parlamentswahlergebnisse, die die Trends der ersten Runde der Präsidentschaftswahl zu regional und lokal höchst unterschiedlichen Wählerpräferenzen bestätigt und verstärkt.

Ein Strich durch die Rechnung ist das auch für die internationale Gemeinschaft. Sie hoffte, mit freien Wahlen würde irgendwer als neuer „starker Mann“ des Kongo legitimiert werden – und dem geben wir Geld, diktieren die Bedingungen, und dann wird sich allmählich Fortschritt einstellen. In vielen Ländern Afrikas hat dieses Rezept funktioniert, um eine Friedensordnung herzustellen. Nun aber haben die Kongolesen entschieden, dass es vorerst keinen „starken Mann“ geben soll. Die ausländischen Partner des Kongo müssen jetzt neu nachdenken. Sie sollten die lokale Ebene, wo die eigentlichen Wahlentscheidungen gefallen sind und der eigentliche Wiederaufbau des Kongo stattfindet, in ihren Überlegungen an erste Stelle setzen. Die alte Strategie, in einem zerfallenen Land erst einen starken Zentralstaat aufzubauen, bevor man etwas für die Menschen tut, ist damit hoffentlich an ihr Ende gekommen.

Mit Kongos erster freier Wahl ist das Land vollends unregierbar geworden, und das ist gut so. Denn es gibt im Kongo derzeit keinen Politiker, dem man zutrauen kann, das zerrissene Land aus seinem Elend herauszuführen. Das ist eine Aufgabe, die nur von der Bevölkerung selbst bewältigt werden kann. DOMINIC JOHNSON