Haftbefehl für rechten Schläger

Nach dem Überfall auf zwei SPD-Wahlhelfer kritisieren Grüne und Jusos die Polizei: Sie gehe nicht energisch genug gegen die Täter vor. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Körperverletzung

Von Rolf Lautenschläger
und Alke Wierth

Nach dem brutalen Überfall von zwei rechten Schlägern auf SPD-Wahlhelfer in Marzahn am Freitag haben Politiker scharfe Kritik an der Polizei geübt. Volker Ratzmann, grüner Fraktionschef, nannte es gestern einen „Skandal“, dass die Polizei die beiden Neonazis nach der Tat wieder auf freien Fuß setzte und die Haftprüfung erst für Sonntagnachmittag angesetzt worden sei. Angesichts der schweren Körperverletzungen eines der Opfer hätte sofort gegen die Rechten ermittelt werden müssen. „Unglaublich“ sei dies zudem, weil die beiden vorbestraft seien und möglicherweise Verbindungen zu Überbleibseln der verbotenen Neonazi-Kameradschaft Baso hatten. Ratzmann wertete dies gegenüber der taz als „Alarmzeichen“. Zugleich bezeichnete er es als „neue Qualität“, welche Dimension rechte Gewalt im Wahlkampf habe.

Am Wochenende hatten Anhänger der rechten Szene zwei SPD-Wahlkampfhelfer angegriffen und einen von ihnen, Felix F., krankenhausreif geprügelt. Die beiden 20- und 21-Jährigen braunen Schläger traten dabei mehrfach gegen den Kopf des 23-jährigen SPDlers. Nach ihrer Flucht wurden beide von der Polizei erst festgenommen, dann aber wieder freigelassen, weil „keine Verdunkelungsgefahr vorgelegen“ habe, so ein Polizeisprecher. Am Sonnabend wurden beide erneut in Gewahrsam genommen. Der 20-Jährige erhielt gestern Haftbefehl wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung, für seinen Komplizen entschied der Haftrichter auf Haftverschonung mit Meldeauflagen.

Auch die CDU beklagte am Samstag eine massive Bedrohung durch Rechte an einem Wahlkampfstand in Rudow. CDU-Kandidat Sascha Steuer sprach von einer „beängstigenden“ Situation. In Rudow hatte es Ende August bereits einen Überfall auf einen PDS-Stand gegeben, ebenfalls Ende August hatten Neonazis eine SPD-Veranstaltung in Lichterfelde gestört.

Berlins Juso-Chefin Franziska Drohsel betonte, man wolle keine strengeren Gesetze, sondern „nur die konsequente Anwendung der bestehenden durch die Polizei“. Auch sie könne die Reaktion der Polizei „nicht verstehen“. Die beiden Schläger hätten in U-Haft gesteckt werden müssen. Drohsel forderte, künftig sollten Beamte Wahlkampfstände und Plakataktionen begleiten.

Die gezielten Angriffe auf Parteien zeigten, dass die Polizei „umdenken müsse“, sagt auch Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR): „Vor allem im Hinblick auf die Aktivitäten eigentlich verbotener Kameradschaften.“ Die Einschüchterungsversuche kämen meist von einem „harten Kern von 30 bis 40 sehr gewaltbereiten“ Personen. Dabei handele es sich sowohl um ehemalige Angehörige verbotener Kameradschaften als auch um Mitglieder der NPD.

„Bereits im Bundestagswahlkampf 2005 haben sich Rechte auf Wahlveranstaltungen bemüht, die Teilnehmer zur Auseinandersetzung mit rechtsextremer Propaganda zu zwingen“, berichtet Klose. Nun würden offenbar auch Gewalt und Pöbeleien zur Einschüchterung eingesetzt. Gemeinsam mit anderen Initiativen hat die MBR Fortbildungen gegen die Strategien der Rechten entwickelt. Wichtig sei etwa, vorher festzulegen, wann ein Stand geschlossen wird oder wer im Bedrohungsfall die Polizei holt. Denn: „Rechte reagieren auf Handlungsunsicherheit.“

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