Ateș will wieder Anwältin sein

Frauenrechtlerin Seyran Ateș verkündet den Rückzug vom Rückzug: Sie möchte doch wieder als Anwältin arbeiten. Ateș hatte vor kurzem ihre Zulassung abgegeben

BERLIN taz ■ Sie hat es sich noch einmal überlegt. Seyran Ateș kehrt zurück in die Gerichtssäle. Das verkündete der Berliner Anwaltsverein (BAV) gestern nach einem Gespräch mit der Frauenrechtlerin. „Ich bin überwältigt von der Solidarität, die mir von so vielen Menschen entgegengebracht worden ist“, ließ Ateș über den BAV mitteilen. Ab Januar möchte sie wieder als Rechtsanwältin arbeiten.

Der BAV wollte nicht einfach hinnehmen, dass Ateș ihre Zulassung als Anwältin zurückgegeben hat. Seine Idee: Bislang arbeitete Ateș alleine. Unbegleitet ging sie vom Gericht ins Büro. „Seite an Seite mit Kollegen wäre sie besser geschützt“, sagt Thomas Reckermann vom BAV. Deshalb sucht der Verein gemeinsam mit dem Deutschen Juristinnnenbund eine Anwaltssozietät, in der Ateș arbeiten könnte. „Auf unseren Aufruf hin haben sich viele Kanzleien gemeldet“, sagt Reckermann. Noch bis Jahresende wolle sich Ateș von den Strapazen der vergangenen Wochen erholen. Dann aber wolle sie wieder juristisch aktiv sein.

Ateș hatte im August ihre Zulassung als Rechtsanwältin zurückgegeben und ihre Kanzlei aufgelöst. Sie begründete dies auch mit der Sorge um ihr Leben; immer wieder hatten Ehemänner und Verwandte ihrer Mandantinnen sie bedroht und angefeindet. Ateș wollte weiter politisch tätig sein, aber nicht mehr am Einzelfall arbeiten. Ihr Teilrückzug entfachte sogleich eine Grundsatzdebatte: Müssen Frauen, die sich in Deutschland für Migrantinnen einsetzen, um ihr Leben fürchten?

Seit Jahren kämpft die türkischstämmige Juristin für die Rechte von Migrantinnen. Ateș hat nicht nur Klientinnen verteidigt, die „sonst keinen haben, an den sie sich wenden können“, sagt Christa Stolle, Geschäftsführerin von Terre des Femmes. Ateș ist es auch wesentlich zu verdanken, dass Themen wie Ehrenmord und Zwangsheirat heute öffentlich diskutiert werden.

Umso begeisterter reagiert die Fachwelt auf die angekündigte Rückkehr. „Das ist wunderbar“, schwärmt Stolle. „Die Kompetenz und der Mut von Ateș sind für viele eine Ermutigung“, sagt Jutta Wagner, Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes.

Formal immerhin dürfte Ateș’ Rückkehr in Anwaltswürden kein Problem sein. Wer seine Zulassung abgegeben hat, kann sie nach Auskunft der Berliner Rechtsanwaltskammer jederzeit erneut beantragen. Das Ansinnen muss zwar geprüft werden. In einem Fall wie dem von Seyran Ateș aber wäre das nur ein Routineakt. COSIMA SCHMITT