Parteien fürchten rechte Fäuste

Die Serie rechtsextremistischer Provokationen und Übergriffe auf Wahlstände reißt nicht ab. Der Innensenator spricht von neuer Qualität. Dabei plagen sich linke Initiativen seit Jahren damit

von FELIX LEE

Die Übergriffe auf Wahlhelfer der demokratischen Parteien gehen weiter. In der Nacht zum Montag hat es einen Plakatierer der Linkspartei.PDS getroffen. Der 27-Jährige wollte in der Rudower Chaussee gerade eine Werbetafel anbringen, als der Täter die Leiter unter ihm wegzog. Der Plakatierer stürzte und verletzte sich dabei die Wirbelsäule. Als sein Kollege hinzukam, war der Unbekannte bereits von dannen.

Noch ist zwar nicht bewiesen, dass es sich bei dem Täter um einen Rechtsextremisten handelt. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Aber auch schon vor dem jüngsten Übergriff sprachen Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Ratzmann, übereinstimmend von einer neuen Qualität rechter Provokationen im Wahlkampf.

In der Nacht zum Sonntag hatten Rechtsextremisten zwei Wahlhelfer der SPD überfallen, wovon einer von ihnen krankenhausreif geschlagen wurde. Ebenfalls am Sonntag demonstrierten Jusos, Grüne Jugend und die Gewerkschaft Ver.di im Steglitzer Stadtteil Lichterfelde gegen einen Übergriff auf einen Juso-Stand, der vor zwei Wochen stattfand. Und wieder mischten sich mindestens 20 Neonazis unter die rund anwesenden 400 Demonstranten. „Wir hatten große Mühe, die Rechtsextremisten herauszuhalten“, sagte Benedikt Lux von der Grünen Jugend, der in Lichterfelde für die Grünen kandidiert. Nicht einmal die CDU in Rudow blieb verschont (taz berichtete).

Trotzdem lehnt es die Polizei ab, in der heißen Phase des Wahlkampfs ihre Präsenz vor Wahlkampfständen zu erhöhen. Einen so brutalen Angriff wie auf den SPD-Wahlkampfhelfer am Wochenende habe es bei vorherigen Wahlen zwar nicht gegeben, gestand ein Polizeisprecher. Quantitativ müsse zunächst jedoch geprüft werden, ob es tatsächlich so viel mehr rechte Übergriffe gibt als bei vorherigen Wahlen. Dieser Aussage entgegen steht, dass es im ersten Halbjahr bereits 40 rechte Gewaltdelikte in Berlin gab. Ein Jahr zuvor betrug die Zahl für das gesamte Jahr 52. Das berichtet der Tagesspiegel.

Und doch ist dem Polizeisprecher Recht zu geben, dass es sich bei den Einschüchterungsversuchen der Rechtsextremisten vor Wahlständen um keine neue Strategie handelt. Auch beim Bundestagswahlkampf vor einem Jahr zeigten besonders Anhänger der verbotenen Kameradschaft BASO massive Präsenz. Nicht umsonst hat die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) zusammen unter anderem mit dem Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz) bereits zu Beginn des Wahlkampfs eine zwölfseitige Broschüre mit Empfehlungen im Umgang mit rechtsextremen Organisationen erstellt.

Für die etablierten Parteien sind die Überfälle auf ihre Wahlstände ein bisher ungekanntes Problem. Veranstaltungen nichtparlamentarischer Initiativen besonders im Ostteil der Stadt müssen sich hingegen seit Jahren damit herumplagen, dass im nächsten Moment Rechtsextremisten auftauchen könnten. Allerjüngstes Beispiel: Erst gestern hat die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) erfahren, dass ein Konzert am kommenden Samstag in der Lichtenberger Weitlingstraße massiv von Neonazis gestört werden soll. Und das ganz offiziell: Für diese „Störaktion“ liegt der Bezirksverwaltung laut ALB sogar eine offizielle Anmeldung der NPD vor.

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