Rechtfertigung statt Trauerarbeit

US-Präsident George W. Bush nutzt eine Fernsehansprache zum fünften Jahrestag der Terroranschläge, um für eine Fortsetzung des Krieges im Irak und gegen den Terror zu werben. Demokraten kritisieren Politisierung des Gedenktages

VON BERND PICKERT

US-Präsident George W. Bush hat den fünften Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 genutzt, um in einer Fernsehansprache seinen „Krieg gegen den Terror“ zu rechtfertigen und erneut für eine Fortführung des Kriegs im Irak zu werben. „Die Sicherheit Amerikas hängt vom Ausgang der Schlacht in den Straßen von Bagdad ab,“ sagte Bush. Zwar hatte er zuvor indirekt zugegeben, dass das irakische Regime von Saddam Hussein mit den Anschlägen in New York und Washington nichts zu tun gehabt habe. Doch sei es eine Lehre aus den Anschlägen gewesen, Bedrohungen künftig zu bekämpfen, bevor sie akut würden, und Saddam Hussein sei eindeutig eine Bedrohung für die USA gewesen.

Fast ein Drittel seiner rund 17-minütigen Ansprache widmete Bush der Lage im Irak. Einen Abzug der US-Truppen aus dem Irak würden „Männer wie Bin Laden“ als „Niederlage und ewige Schande“ für Amerika begreifen: „Wenn wir in Irak vor Männern wie Bin Laden zurückweichen, werden unsere Feinde gestärkt, sie erhalten einen neuen sicheren Hafen und werden Iraks Ressourcen für ihre extremistische Bewegung nutzen.“

Die USA befänden sich nach wie vor erst am Beginn einer großen Auseinandersetzung um das Recht auf Freiheit. Es handele sich dabei nicht um einen „Kampf der Zivilisationen“, sondern um einen „Kampf für die Zivilisation“, sagte Bush. Die Feinde fürchteten die Freiheit, für die die Völker kämpften. „Von Kabul über Bagdad nach Beirut gibt es mutige Männer und Frauen, die jeden Tag für dieselbe Freiheit ihr Leben riskieren, die wir genießen.“ Und rhetorisch fragte Bush: „Haben wir das Vertrauen, um im Nahen Osten das zu tun, was unsere Väter und Großväter in Europa und Asien getan haben?“

Unmittelbar im Anschluss an die von allen Networks live übertragene Rede aus dem Weißen Haus hagelte es bereits Kritik vonseiten führender Demokraten. Senator Edward M. Kennedy sagte, der Präsident „sollte sich schämen, einen nationalen Trauertrag zu benutzen“, um seine Irakpolitik zu rechtfertigen. Der New Yorker Senator Charles Schumer sagte, es sei falsch, die Erinnerung an die Tragödie des 11. September zu politisieren.

Den Tag hatte Bush – ohne Reden zu halten – bei drei Gedenkveranstaltungen an den Orten der Flugzeugeinschläge in Washington, New York und Pennsylvania verbracht. Die Ansprache abends war die vierte und abschließende grundsätzliche Rede über den Krieg gegen den Terror innerhalb der letzten Woche – und wohl der Punkt, an dem Bush meinte, nunmehr Terror und Irak wieder zusammen diskutieren zu können. In den anderen Reden hatte der Präsident, offenbar im Hinblick auf die bevorstehenden Kongresswahlen, den unpopulären Irakkrieg komplett ausgeklammert und an seine eigene Führungsrolle nach dem 11. 9. 2001 erinnert. Jetzt versuchte er, die Klammer wiederherzustellen.

Offensichtlich in dem Versuch, jene Demokraten, die einen Zeitplan für den Abzug der US-Truppen aus dem Irak fordern, an den Pranger zu stellen, beschwor Bush die nationale Einheit gegen den Feind – um sofort anzufügen: „Was auch immer für Fehler im Irak gemacht worden sein mögen; der schlimmste Fehler wäre es zu glauben, dass die Terroristen uns in Ruhe lassen, wenn wir abziehen.“