Maulkorb für 120 Schulleiter

Weil sie im April öffentlich Kritik am Schulreformgesetz äußerten, leitet die Bildungsbehörde jetzt ein Massen-Diziplinarverfahren ein. GEW: „Die Kollegen haben nur von ihrem Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch gemacht“

Er fände es kostspielig und kurios, berichtet ein Eimsbüttler Lehrer. Per Eilbote habe sein Schuldirektor vor wenigen Tagen einen Brief bekommen, in dem ihm die Bildungsbehörde die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ankündigt. Grund: er war einer von rund 120 Schulleitern, die sich im April in einer Anzeige namentlich gegen das geplante „Schulreformgesetz“ wandten.

„Ich habe auch so einen Schrieb bekommen“, ergänzt ein Schulleiter aus Hamburgs Süden. „Weil wir uns öffentlich geäußert haben, wirft man uns vor, dass wir nicht loyal sind.“ Er sehe es aber als seine Aufgabe, zu sagen, „dass da eine Sache auf die Schulen zukommt, die nicht mehr zu handlen ist“.

Die beiden sind nicht allein. Nach Informationen des GEW-Vorsitzenden Klaus Bullan ist „gegen alle beteiligten Schulleiter“ ein Verfahren eingeleitet worden. Die Rektoren hätten aber nur von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Wörtlich hieß es in der Annonce: „Den Schulleitungen werden mit der Stärkung hierarchischer Strukturen viele zusätzliche betriebswirtschaftliche und administrative Aufgaben zugewiesen.“ Dafür fehle die Zeit. Auch sehe das Gesetz einen Abbau „innerschulischer Demokratie“ vor, die die selbst verantwortete Schule aber benötige.

Für Bullan sind die Disziplinarverfahren „unverhältnismäßig“. Und sie zeigten, wie Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) sich Selbstverantwortung vorstelle: „Ein Schulleiter sagt seine Meinung und kriegt was auf den Deckel.“ Auch Christa Goetsch, Schulpolitikerin der GAL, sieht hier einen Widerspruch zum proklamierten Ziel. „Statt Schulleitungen zu stärken, macht die Senatorin sie mundtot“, sagt Goetsch. Mit Repression werde Dinges-Dierig keinen Erfolg erzielen.

Bildungsbehördensprecher Alexander Luckow wollte keine Stellung nehmen: „Es handelt sich um eine personalrechtliche Angelegenheit“, sagte er. „Dazu geben wir keine Auskunft.“

KAIJA KUTTER