Hamas beugt sich dem öffentlichen Druck

Mit dem Rücktritt ihrer Minister hat die palästinensische Hamas den Weg für eine große Koalition mit der Fatah freigemacht. Doch die Verteilung der Ämter und die Führung des neu zu bildenden palästinensischen Kabinetts werden noch verhandelt

AUS JERUSALEM SILKE MERTINS

Die palästinensische Regierung unter Führung der islamistischen Hamas hat am Mittwochabend geschlossen ihren Rücktritt erklärt. Damit hat Ministerpräsident Ismael Hanijeh den Weg für eine große Koalition freigemacht. Hamas verständigte sich diese Woche nach langem Ringen mit Präsident Mahmud Abbas von der gemäßigten Fatah auf eine „Regierung der nationalen Einheit“. Wie die Ministerien verteilt werden, ist aber noch nicht bekannt.

Ein Bündnis zwischen Hamas und Fatah soll die internationale Isolation der palästinensischen Regierung beenden. Die Europäische Gemeinschaft und andere Geldgeber haben ihre Zahlungen eingefroren, solange Hamas nicht bereit ist, Israel anzuerkennen und dem Terror abzuschwören. Diese Bedingungen hatte die Hamas, die so viele Selbstmordattentate wie keine andere Gruppe gegen Israel verübt hat, stets als „Erpressung“ und „Missachtung einer demokratischen“ Wahl abgelehnt.

Doch inzwischen ist der Druck auf Hanijeh so gewaltig, dass ihm keine Wahl bleibt. Seit März haben die Angestellten der Autonomiebehörde keine regulären Gehälter bekommen. Fast alle Sektoren des öffentlichen Lebens streiken inzwischen. Die Weltbank sagt gestern zudem voraus, die Armutsrate werde in diesem Jahr wahrscheinlich auf 67 Prozent ansteigen.

Für die Hamas, die im Januar die Wahl gewonnen hatte, ist ein Bündnis der einzige Ausweg. Grundlage der gemeinsamen Regierung soll eine arabische Friedensinitiative sein, die die Existenz Israels als gegeben akzeptiert und sich allen bisherigen Friedensverträgen sowie der internationalen Roadmap verpflichtet fühlt. Für den moderaten Flügel der Hamas wäre das ein wichtiger Etappensieg. Bereits im Juni hatten sich Hamas und Fatah auf das so genannte „Gefangenenpapier“ geeinigt. Ein Dokument, das Palästinenser aller Fraktionen in israelischer Haft ausgearbeitet haben. Es spricht von der Gründung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967. Bisher hat die Hamas stets gefordert, es müsse das gesamte Gebiet des historischen Palästina sein – inklusive des heutigen Israel. Offiziell bestreitet die Hamas-Führung allerdings, dass die Einigung mit Fatah eine Anerkennung Israels bedeutet.

Die Europäer haben zwar signalisiert, dass sie bereit sind, mit einer neuen Regierung unter Beteiligung der Fatah ins Gespräch zu kommen. Viel wird aber davon abhängen, wie die Ministerposten besetzt und ob Israel tatsächlich mehr oder weniger direkt anerkannt wird. Die israelische Außenministerin Zipi Livni warnte Abbas bereits davor, Hamas die Führung zu überlassen. „Ich hoffe, dass die Palästinenser die richtige Entscheidung treffen“, sagte sie nach Gesprächen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice am Mittwochabend in Washington. Rice selbst sagte, man werde weiter mit Abbas zusammenarbeiten, auch wenn er mit Hamas eine Koalition eingehe. Ebenso wie Israel lehnen aber auch die USA vorerst Gespräche mit der Hamas ab.