Verbotene Reise nach Afrika

Die giftige Fracht der „Probo Koala“ hätte in den Niederlanden entsorgt werden müssen, meinen Experten

BERLIN taz ■ Die ätzenden Substanzen, die auf täglich neuen Deponien in Abidjan gefunden werden, kommen aus dem Norden. So viel ist klar. Aber sind die Industriestaaten deshalb auch schuld an dem Skandal?

„Ich hoffe, es handelt sich um einen Einzelfall von krimineller Energie“, sagt Giftmüllexperte Andreas Bernstorff. Schließlich sei es der erste Skandal seit 1992. Nachdem sich die Giftmüllskandale in Afrika in den Achtzigerjahren gehäuft hatten, rief die internationale Staatengemeinschaft die Baseler Konvention ins Leben, die den grenzüberschreitenden Transport von Giftmüll regelt. Später einigten sich die EU-Länder auf noch strengere Regeln. Für sie gilt seit 1998 ein generelles Exportverbot für „gefährliche Abfälle“ in alle Nicht-OECD-Staaten. Wer dagegen verstößt, muss mit bis zu zehn Jahren Gefängnis rechnen.

Allerdings hätten im aktuellen Fall auch offizielle Akteure „eine üble Rolle“ gespielt. So habe die Amsterdamer Hafenverwaltung „schwer gepatzt,“ so Bernstorff. Nach dem, was bislang bekannt ist, hatte das Unternehmen „Trafigura“ den Hafen mit dem gecharterten griechischen Frachter „Probo Koala“ angelaufen und den Behörden dort angezeigt, dass das Schiff ölhaltiges Spülwasser in den Tanks habe. Nach dem weltweit geltenden Marpol-Übereinkommen, das die Meeresverschmutzung durch Schiffe verhüten soll, sind die Häfen dazu verpflichtet, solche „schiffsbetriebsbedingten Abwässer“ entgegenzunehmen. Die Amsterdamer Verwaltung weigerte sich jedoch – die Flüssigkeit müsse falsch deklariert sein, sie stinke zu sehr. Unklar ist, warum sie das Schiff dann fahren ließ. „Für was hielt sie die Fracht denn?“, fragt Bernstorff. Wenn die zu verunreinigt sei, um als abnahmepflichtiges Spülwasser akzeptiert zu werden, bleibe doch wohl nur Giftmüll.

Um diesen wiederum grenzüberschreitend zu transportieren, hätte „Trafigura“ nach der Baseler Konvention mindestens eine schriftliche Genehmigung der Transitländer und des Landes, das den Müll importiert, sowie eine genaue Beschreibung der Substanzen vorweisen müssen.

Bernstorff, der lange für Greenpeace gearbeitet hat und nun als selbstständiger Berater unterwegs ist, wundert sich, dass die Hafenverwaltung in Amsterdam die „Probo Koala“ nicht an die Sondermüllstelle in Rotterdam verwies. „Wenn sie davon ausgehen musste, dass es sich um Giftmüll handelt, konnte sie das Schiff nicht einfach ziehen lassen.“

„Das finde ich schon erstaunlich“, meint Bernstorff. Die niederländischen Häfen seien eher dafür bekannt, dass sie sehr gut kontrollierten. „Womöglich spielt hier die Deregulierungs- und Entbürokratisierungspolitik der neuen Regierung eine unselige Rolle.“

Matthias Dreyer, Chemieexperte bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, hält die Rechtslage für ausreichend. In vielen Ländern Afrikas gebe es aber Probleme mit der Anwendung: Einige sind in einem Zustand der Unregierbarkeit, andere „wissen einfach nicht, was schon notifiziert ist“. „Oder es fehlen die richtigen Formulare.“ Deswegen liege die Verantwortung in den Industrieländern. „Wir müssen frühzeitig kontrollieren, um kriminelle Machenschaften hier zu stoppen“, sagte er der taz. „Schließlich geht es um unseren Wohlstandsmüll.“ BEATE WILLMS