Ein bisschen fair: Geht das?

Der Discounter Lidl steigt in den fairen Handel ein – ein umstrittener Spagat. Die einen interpretieren das als Erfolg – dank Druck. Die anderen sehen darin Augenwischerei und eine Gefahr für Aktivisten

VON CHRISTINE BERGER

Die taz und der Discounter Lidl haben etwas gemeinsam: Schokolade, Kaffee und Tee aus fairem Handel. Was sich im Shop der Zeitung gut verkauft, liegt seit Juni dieses Jahres auch in den Regalen des Unternehmens aus Schwaben. 11 von rund 1.200 Produkten stammen aus fairem Handel. Ein verschwindendes Angebot, doch gerade deshalb steht Lidl im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die einen meinen – unter anderem die Bürgerrechtsbewegung Attac sowie die Gewerkschaft Ver.di –, Lidl behandle seine Mitarbeiter schlecht, weshalb der Verkauf von fair gehandelten Produkten ein Witz sei. Für die anderen – unter anderem den gemeinnützigen Verein Transfair – ist Lidl Vorreiter beim Verkauf von Produkten aus sozial verträglicher Produktionsweise. In jedem Fall hat das Handelsunternehmen sein Ziel erreicht, möglichst schnell bekannt zu machen, dass bei Lidl jetzt auch faire Produkte zu haben sind.

Claudia Brück von Transfair e.V. ist jedenfalls zufrieden. „Tee, Rohrzucker und Bananen sind bei Lidl neu hinzugekommen, und die Bananen sind nicht nur fair gehandelt, sondern auch Bio“. Das heißt, die Früchte wurden den Bauern zu einem fairen Preis abgekauft und sind auch noch ohne Spritzmittel groß geworden. Das allerdings kostet, weshalb Fair-Trade-Bananen bei Lidl 1,99 Euro pro Kilo anfallen. Der Preis für konventionelle Ware liegt bei 79 Cent das Kilo.

Dass sich Lidl für fairen Handel einsetzt, empfindet Frauke Distelrath, Pressesprecherin von Attac, als kleinen Sieg über den großen Konzern. „Mit unserer Lidl-Kampagne haben wir einen Legitimationsdruck bewirkt.“ Der Imageschaden, der unter anderem auch wegen des Ver.di-Schwarzbuchs zu den Arbeitsbedingungen bei Lidl entstanden war, habe das Unternehmen gezwungen, sich zu rechtfertigen. Die Einführung der Fairglobe-Produkte in das Warensortiment wird von Attac als Reaktion betrachtet, mit der versucht wird, das Image aufzubessern. Distelrath bezweifelt allerdings, dass das reicht: „Die Unternehmenskultur hat sich nicht verändert.“ Weshalb Attac jetzt auch nach Abschluss der Lidl-Kampagne ein Auge auf den Konzern werfen wird.

Nun also auch im Supermarkt Kaffee und Tee mit Bio- und Fairglobe-Siegel. Bei einer Spontanumfrage in einem Berliner Lidl-Markt weiß kein Kunde etwas mit letzterem Gütezeichen anzufangen. Ein Punkt, den vor allem Eine-Welt-Initiativen kritisieren. „Die Aufklärung über fair gehandelte Produkte fehlt“, lässt etwa die Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V. Trier (AGF) in einer Pressemitteilung verlauten. Der konsumkritische Ansatz, wie ihn nicht profitorientierte Weltläden praktizieren, wird durch den Billiganbieter unterlaufen, der zudem mit den eigenen Angestellten nicht fair umgeht“, so Christine Prokopf vom Weltladen der AGF.

Da hilft Lidl-Kunden nur ein Blick auf die Internetseite von Transfair. Dort steht genau geschrieben, worauf es bei fairem Handel ankommt. Unter anderem ist dort die Rede von einer Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie höheren Einkommen für Warenproduzenten. Soll heißen: Nicht die Lidl-Kassiererin profitiert von dem höheren Warenpreis und wird etwa besser bezahlt, sondern die Kaffeepflückerin in Kenia.

Claudia Brück von Transfair sieht das Lidl-Engagement dennoch als Erfolg: „Jede neue Nachfrage ist zu begrüßen.“ Jetzt werde weitergesucht nach Produkten, die fair gehandelt von Lidl-Kunden gewünscht werden könnten. Ein wesentliches Kriterium sei die Menge: „Was ist lieferbar in dieser Größenordnung?“ Fairtrade-Bananen für sämtliche Lidl-Filialen seien vorhanden. „Früher hatten wir ja eher das Problem, dass das Angebot größer war als die Nachfrage“. Das sei jetzt anders geworden. Immerhin setzt Lidl im Jahr rund 36 Milliarden Euro um, und hat damit den Branchenprimus Aldi fast eingeholt.

Die Fairtrade-Schokolade schmeckt, dennoch gilt für Frauke Distelrath von Attac: „Die Leute sind ja nicht blöd.“ Nur weil jemand faire Schokolade verkaufe, sei das Unternehmen noch lange nicht fair. So hat die taz beim Schokoladen- und Kaffeeverkauf zwar Konkurrenz bekommen, doch das Image dürfte letztendlich die treuen Kunden bei der Stange halten. Schließlich schreibt Lidl nur schwarze Zahlen und keine kritischen Kolumnen.