Forsmark darf noch nicht wieder ans Netz

Schwedens Atomaufsicht SKI veröffentlicht ihren Störfallrapport und übt wegen schwerer Sicherheitsmängel heftige Kritik am Betreiber Vattenfall. Auch in anderen Kernreaktoren weltweit ist dieser Fehler eingebaut, sagt Atomexperte Björn Karlsson

Die Kernkraftszene ist ein unerhört kleiner Klüngel. Man hält sich den Rücken frei

AUS STOCKHOLMREINHARD WOLF

Das am 25. Juli von einem Beinahe-GAU betroffene schwedische AKW Forsmark darf erst nach umfassenden Umbauten der Notstromversorgung wieder ans Netz gehen. Dies hat jetzt die staatliche Atomsicherheitsbehörde „Statens Kärnkraftinspektion“ (SKI) beschlossen. Die Behörde stellt dem AKW-Betreiber Vattenfall verschiedene Bedingungen für die Erteilung einer erneuten Betriebserlaubnis. SKI-Generaldirektorin Judith Melin: „Zusammengenommen handelt sich um ernsthafte Sicherheitsmängel, und diese müssen erst behoben werden.“ So dürfen die Reaktoren Forsmark 1 und 2 und Oskarshamn 1 erst wieder in Betrieb gehen, wenn deren Notstromgeneratoren so umgebaut wurde, dass diese auch nach einem Kollaps der Wechselstromversorgung in Gang kommen können.

Vattenfall wollte die Reaktoren ohne solche Umbauten wieder in Gang nehmen und diese Arbeiten im kommenden Sommer im Zuge der jährlichen Revision vornehmen. Das weist SKI aber als unzureichend zurück. Zudem müssen Änderungen im Kontrollsystem vorgenommen werden. Ein „Blackout“ für das Bedienungspersonal, das am 25. Juli den Reaktor fast eine halbe Stunde lang nur „blind“ steuern konnte, soll sich nicht wiederholen. Die Aufsichtsbehörde kritisiert Vattenfall für eine Reihe von grundlegenden „Schwächen bei der Kontrolle und den Routinen“ im Forsmark-AKW, welche zur „Komplexität dieses Vorfalls beigetragen“ hätten. So ist zum Beispiel die polverkehrte Installation von Anschlüssen nicht aufgefallen.

Insgesamt beurteilt SKI den Vorfall als „schwerwiegend, da auf Sicherheitssysteme zurückgegriffen werden musste, die dann zum Teil nicht funktionierten“. Die Behörde bleibt aber bei ihrer bisherigen Einschätzung, es habe nie die Gefahr einer Kernschmelze bestanden. Dabei vernachlässigt SKI die Tatsache, dass zwei der vier Notstromgeneratoren nur zufällig in Gang kamen. Ihre Sicherungen verkrafteten eine höhere Stromspannung als vorgesehen. Diese Generatoren, hielten vier der acht Kühlpumpen in Gang, so dass „nur“ die Hälfte des Reaktorkühlwassers verkochte. SKI merkt zu diesem Komplex lediglich an, dass teilweise Daten nicht vollständig gesichert seien oder noch fehlten und es „übergreifender“ Analysen bedürfe.

Peter Eriksson, Vorsitzender der schwedischen Grünen, unterstellt SKI, den Störfall bewusst herunterspielen zu wollen: „Die Kernkraftszene ist ein unerhört kleiner Klüngel, und man hält sich gegenseitig den Rücken frei.“ Die Grünen halten deshalb die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission für erforderlich.

Zumindest eine Expertenkonferenz zum Störfall hat Stockholm jetzt angekündigt. Björn Karlsson, Professor für Energietechnik an der Universität Linköping und Vorsitzender des SKI-Beratergremiums für Reaktorsicherheit begrüßt diesen Schritt: „Der gleiche Fehler wie in Forsmark ist in Reaktoren in der gesamten westlichen Welt eingebaut. Deshalb ist das Interesse bei den Atomaufsichtsbehörden weltweit sehr groß.“