„Man höre mir auf mit dem Kreuzzug-Gewäsch!“

Theologie-Professor Rainer Kampling meint: Der Papst ist Opfer seiner eigenen Forderung geworden, mehr Ehrfurcht vor Religion zu haben

taz: Herr Kampling, hat der Chef der türkischen Religionsbehörde recht, wenn er sagt, die Aussagen des Papstes zum Islam offenbarten dessen „Kreuzfahrermentalität“?

Rainer Kampling: Man höre mir endlich mal auf mit dem Kreuzzug-Gewäsch! Es ermüdet einen doch sehr. Gerade dieser Behördenchef sitzt doch in Istanbul, also im früheren Konstantinopel. Wie ist er da hingekommen? Der Islam ist doch nicht friedlich nach Konstantinopel gelangt. Die Türkei hat ein starkes innenpolitisches Problem. Man will den Papstbesuch aus unterschiedlichen Gründen nicht – und das in einem Land, in dem man ins Gefängnis kommen kann, wenn man das, was Massenmord war, Massenmord nennt. Dass die jetzt den Papst nicht haben wollen, das ist klar. Das alles ist natürlich hochgespielt. Ich bin fest davon überzeugt, kein Mensch hat diese Rede gelesen. Und es wurde manches übersehen.

Was?

Bemerkenswert ist: Der Papst ist Opfer seiner eigenen Forderung geworden. Er hat ja jetzt in einer Rede gefordert, mehr Ehrfurcht vor der Religion zu haben. Nun zeigt sich, dass das subjektive Empfinden nicht verwaltbar ist. Ich bestreite ja nicht, dass es Muslime gibt, die sich persönlich betroffen fühlen. Der Papst hat es sicher nicht in böser Absicht gemeint – aber jetzt stellen Muslime fest, wir fühlen uns persönlich beleidigt.

Aber gießt der Papst nicht Öl ins Feuer, wenn er andeutet, die Gewalt gehöre zum Wesen des Islam?

So hat er es nicht angedeutet.

Der Papst distanzierte sich in seiner Rede nicht von der zitierten Aussage des christlich-byzantinischen Kaisers Manuel II., wonach Mohammed als Neues „nur Schlechtes und Inhumanes“ gebracht habe.

Das würde ich schon sagen, dass der Papst sich distanziert. Er verweist schließlich davor auf die Sure 2,256, wonach es keinen Zwang in Glaubensdingen geben dürfe. Die Aussage ist so eingebettet. Im Übrigen geht es nicht um die Gewalt, sondern darum, dass Kaiser Manuell II. eben sagt: Die Vernunft müsse über den Glauben entscheiden.

Das ist doch keine Distanzierung von dem Zitat Manuels, wonach zum Islam das Inhumane gehöre.

Das kann ich hier nicht lesen. Das ist ein Zitat eines Kaisers, der gleichzeitig ein Theologe war, und dessen Meinung wird doch vom Papst ausdrücklich als Polemik dargestellt. Immerhin spricht der Papst davon, dass der Kaiser hier „zugeschlagen hat“. Ich glaube nicht, dass er dies als eine objektive Meinung darstellen wollte. Ich weiß auch gar nicht genau, worüber sich die Muslime eigentlich empören: Dass der Papst einen Kaiser zitiert hat? Oder über das Zitat des Kaisers? Oder geht es um die Benennung der Tatsache, dass der Islam in weiten Teilen seiner Geschichte genauso wenig friedfertig war wie das Christentum? INTERVIEW: PHILIPP GESSLER