Das Untergrund-Taxi

Hamburg plant, in einem stillgelegten Eisenbahntunnel ein neuartiges System für den Personenverkehr einzuführen. Der Norden könnte bundesweit Vorreiter auf diesem Gebiet werden.

VON PHILIPP RATFISCH

Wer an den Schellfischtunnel denkt, denkt nicht unbedingt an moderne Technologie. Eher kommen einem Szenen aus längst vergangenen Tagen in den Sinn, in denen Fischer den Fang des Tages zu transportieren suchten. Gemeint ist die Unterführung in Hamburgs Süden, die den Bahnhof Altona mit dem ehemaligen Fischereihafen verbindet. Vierzehn Jahre nach der Schließung soll die nun wieder eröffnet und mit einem innovativen Verkehrssystem ausgestattet werden – ein so in Deutschland einzigartiges Projekt.

„Da kommt eine Revolution auf uns zu“, meint Hans-Jürgen Maass. Der diplomierte Fahrzeugbauer hat sich in den letzten Jahren intensiv mit neuartigen Transportmöglichkeiten beschäftigt. Dabei ist er auf das Modell des Personal Rapid Transit (PRT) gestoßen. Dessen Eigenschaften klingen, als seien sie einem Science-Fiction-Roman entliehen: Kleine Autos bewegen sich vollautomatisch und ohne Fahrer auf einer speziellen Straße und befördern bis zu sechs Menschen zu jeder gewünschten Station des Verkehrsnetzes – ohne starren Fahrplan, ohne Wartezeit und ohne Umsteigen. Denn die Gefährte können zu jeder Tages- und Nachtzeit individuell angefordert werden und bringen den Passagier ohne Zwischenstopps ans Ziel. Eine Art Taxi ohne Taxifahrer. So beschreibt es zumindest ein Arbeitspapier des EU-Projekts „netmobil“, zu dem sich mehrere europäische Einrichtungen der Verkehrsforschung zusammengeschlossen haben.

Neben dem höheren Komfort für die Passagiere berge das Modell weitere Vorteile, meint Hans-Jürgen Maass: „Es stößt keine Abgase aus, braucht sehr wenig Platz und nur noch ein Viertel der Energie herkömmlicher Personenverkehrssysteme“. Zudem seien die elektrisch angetriebenen Gefährte „flüsterleise“, da sie auf Gummireifen führen, sagt Maass.

Im englischen Cardiff wurde auf einer einfachen Bahn bereits ein PRT-System getestet. Nun soll eine ähnliche Version in verschiedenen europäischen Städten an den Start gehen. Am Londoner Flughafen Heathrow etwa sollen ab 2008 computergesteuerte Wagen einen Terminal mit dem Parkplatz verbinden. Die EU fördert das Vorhaben im Rahmen des Projekts Citymobil.

Hamburg könnte sich nun bald dem Trend anschließen. Ende August beauftragte die Stadt die TU Hamburg-Harburg erst einmal mit einer Machbarkeitsstudie für das Schellfischtunnel-Projekt. Geprüft werden soll dabei die Eignung des Tunnels für PRT-Systeme – aber auch für spurgeführte Busse, die ebenfalls ohne Fahrer auskommen.

Erste Gespräche mit Geldgebern hat es bereits gegeben. „Die Investoren sind grundsätzlich bereit, dort mitzuwirken“, sagt Rainer Doleschall vom Bezirksamt Altona. Wann das Projekt realisiert werden könnte, ist noch nicht klar. „Da wird noch viel Wasser die Elbe herunterfließen“, schätzt er. Allerdings sei in den vergangenen Jahren schon viel Geld für die Instandhaltung des Tunnels ausgegeben worden, sagt Doleschall. „Damit sind wir bereits aus den Kinderschuhen heraus.“

Hans-Jürgen Maass schweift mit seinen Gedanken derweil schon in ferne Zukunft. „Unsere Städte“, so Maass, „werden in fünfzig Jahren vollkommen anders aussehen.“ Neuartige Hybrid-Autos könnten die schmalen PRT-Trassen mitbenutzen, die heutigen breiten Straßen zurückgebaut werden. „Da entsteht eine Menge Platz“, sagt er. Das klingt dann doch noch nach einem Roman von Jules Vernes.