DDT wieder voll im Malaria-Einsatz

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt erstmals seit 30 Jahren den Einsatz des umstrittenen Giftes gegen Moskitos. US-amerikanische Umweltschützer unterstützen die Idee. Greenpeace-Aktivisten warnen vor den Gefahren für den Menschen

VON HANNES KOCH

Das umstrittene Gift DDT soll wieder in großem Maßstab eingesetzt werden. Um die Krankheit Malaria zu bekämpfen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Innenräume von Wohnhäusern mit DDT zu desinfizieren. Diesen Schwenk ihrer seit 30 Jahren gültigen Politik hat die WHO am vergangenen Freitag bekannt gegeben.

In den 1940er- und 1950er-Jahren war die Malaria mittels DDT in Nordamerika, Europa sowie Teilen Afrikas und Asiens weitgehend beseitigt worden. Seit dem Erscheinen des Buches „Stiller Frühling“ der Journalistin Rachel Carson im Jahr 1962 aber geriet Dichlor-Diphenyl-Trichlor-Ethan wegen Schädigung von Tieren und Menschen in Verruf. Mit der Stockholmer Konvention von 2001 wurde DDT weltweit grundsätzlich verboten.

Der Anlass für den Wandel der WHO-Politik ist, dass bislang alle Versuche fehlgeschlagen sind, die wieder grassierende Malaria in Afrika und Asien erneut zurückzudrängen. Pro Jahr sterben geschätzt 1 bis 3 Millionen Menschen an der Malaria. Sie gilt als gefährlichste Krankheit überhaupt.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, die Innenräume von Wohnhäusern in den warmen und feuchten Gebieten Schwarzafrikas, Süd- und Südostasiens mit DDT auszusprühen. Das Gift lagert sich auf Möbeln und Wänden ab, wo die übertragenden Moskitos es aufnehmen und sterben. „Die wissenschaftlichen Beweise unterstützen diese Neubewertung“, erklärt Anarfi Asamoah-Baah, ein hoher WHO-Funktionär. „Wenn man es richtig verwendet, geht von DDT keine Gesundheitsgefährdung aus.“

Einige Umweltschutzorganisationen teilen diese Einschätzung nicht. So weist Greenpeace Österreich daraufhin, dass „DDT-Rückstände weltweit in Proben von menschlichem Blut und Muttermilch nachgewiesen“ wurden. Die Europäische Union hat das Insektizid laut Greenpeace als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft.

Andere Umweltschutzorganisationen teilen hingegen die Position der WHO. Die Vorteile des neuerlichen Einsatzes von DDT würden die Nachteile bei weitem überwiegen. „Wir stellen uns nicht gegen den Gebrauch von DDT zur Malariabekämpfung“, sagt Ed Hopkins vom US-Naturschutzverband Sierra Club. Im Gegensatz zum massiven Einsatz des Giftes in den 1950er-Jahren hält Hopkins das Versprühen geringer Mengen für tolerierbar.

DDT sei billig und effektiv, argumentiert nicht nur die WHO. Auch die US-Regierung und die US-Entwicklungsorganisation USAID befürworten Sprüheinsätze. Die Malariabekämpfung wird demnach bald aus drei Ansätzen bestehen: DDT, besseren Moskitonetzen und wirksameren Prophylaxe-Medikamenten.

Ein Impfstoff gegen die Malaria ist nach wie vor nicht in Sicht. Nach Einschätzung der Globalen Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (Gavi), einer öffentlich-privaten Organisation, liegt das schlicht am Geldmangel. Nur rund 100 Millionen Dollar würden pro Jahr für die Entwicklung von Malariamitteln ausgegeben, während für biomedizinische Forschung insgesamt weltweit etwa 56 Milliarden Dollar zur Verfügung stünden. Malaria ist eine Krankheit der Armen. Wegen der vergleichsweise geringen Gewinnaussichten halten sich die Pharmakonzerne bei der Impfstoff-Forschung zurück.

www.who.int/mediacentre/news/releases/2006/pr50/en/index.htmlmeinung und diskussion SEITE 11