WASG muss auf der Straße bleiben

Die WASG verfehlt den Einzug in das Abgeordnetenhaus deutlich. Die Spitzenkandidatin Lucy Redler spricht dennoch von einem „respektablen Ergebnis“. Jetzt will sich die Partei, die vor allem gegen die PDS antrat, auf die Bezirke und außerparlamentarische Initiativen konzentrieren

Im Kreuzberger Festsaal war es, wie man es von anderen Parteien an Wahlabenden kennt: Kaum betritt um 19 Uhr 50 die Spitzenkandidatin der Berliner Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), Lucy Redler, den Saal, bricht Jubel unter den rund 100 Parteisympathisanten aus. Lautstarke „Lucy, Lucy“-Rufe wandeln die bis dahin eher trübe Atmosphäre in eine Aufbruchstimmung, die Redler mit ihrer Rede geschickt zu steigern weiß. Ist der 27-Jährigen der laute Empfang anfangs noch ein wenig peinlich, legt sie ihre Schüchternheit nach wenigen Augenblicken ab – mit der Analyse des Wahlergebnisses ist Redler in ihrem Element, das Persönliche kann hinter das Politische zurücktreten.

Die Berliner WASG war gegen den Fusionspartner in spe, die Linkspartei.PDS und damit gegen den erklärten Willen der eigenen Bundespartei angetreten. Mit den rund 3 Prozent der Zweitstimmen hat die WASG ihr Wahlziel, in das Abgeordnetenhaus einzuziehen, deutlich verfehlt. Aber 3 Prozent aus dem Stand sind für eine kleine Partei auch nicht wenig. Lucy Redler nannte dies ein „respektables Ergebnis“. Es habe nicht ganz gereicht, aber der Wahlkampf sei mit wenig Geld und Gegenwind aus der eigenen Partei nicht leicht gewesen, so Redler. „Wir haben keine Fehler gemacht.“

Mit Blick auf die niedrige Wahlbeteiligung sagte Redler, die Leute hätten die Nase voll von den etablierten Parteien und dem Sozialabbau. „Die PDS hat die Quittung für die Senatspolitik bekommen.“ Rund 40.000 Menschen hätten die WASG gewählt, diese will Redler nun zur Mitarbeit in der Partei gewinnen. Mit außerparlamentarischen Gruppen und den Gewerkschaften werde man weiter Druck auf der Straße machen. Zudem will sich die WASG mehr in den Bezirken verankern, in denen sie in die Bezirksparlamente eingezogen ist.

Dass sich die Berliner WASG-Basis auch in Abgrenzung zur Berliner PDS definiert, war auf der Wahlparty deutlich zu spüren. Mehr noch als das eigene Abschneiden rief das der PDS Emotionen hervor. Bei jeder Hochrechnung, bei jedem Auftreten eines PDS-Politikers schallten Pfiffe und Buhrufe durch den Raum.

WASG-Wahlkampfleiter Rouzbeh Taheri übte sich darüber hinaus in Rechenspielen. Mehr als 40.000 Stimmen für die WASG bedeuteten, dass seine Partei in absoluten Zahlen den höchsten Gewinn eingefahren habe – noch vor den Grünen. PDS und Grüne würden sich nun „gegenseitig die Köpfe einschlagen, wer mit der SPD ins Bett darf“.

Im Abgeordnetenhaus würden die WASG-Parlamentarier „Stunk machen“ und sich für die „Rechte der Ärmsten der Armen“ einsetzen, war sich der Kabarettist Doktor Seltsam am frühen Wahlabend vor den ersten Hochrechnungen noch sicher. Dazu wird es nun nicht kommen, aber für die WASGler im Kreuzberger Festsaal war die gestrige Wahl ohnehin erst ein Anfang. Zumindest deutete dies ein Song von „Fehlfarben“ aus den Achtzigerjahren an, den die Partyregie im Laufe des Wahlabends immer wieder einspielte: „Es geht voran.“ RICHARD ROTHER