Blockfreie Staaten gründen neuen Block

Gipfel der Blockfreien in Kuba richtet sich vor allem gegen die USA, das „Epizentrum des Bösen“. Der abwesende Fidel Castro wird im Bett Präsident der 118 Länder umfassenden Organisation. Chávez und Ahmadinedschad als Leitfiguren

BERLIN taz ■ Als „Wiedergeburt“ der Blockfreienbewegung haben Delegationen aus 118 Ländern am Wochenende den Abschluss des diesjährigen Gipfeltreffens der 1961 gegründeten Organisation Blockfreier Staaten in Kubas Hauptstadt Havanna gefeiert. Kuba übernimmt zum zweiten mal nach 1979 für drei Jahre den Vorsitz der Organisation. Zum Präsidenten der Organisation wählten die Delegierten – darunter 56 Staat- oder Regierungschefs – den erkrankten kubanischen Präsidenten Fidel Castro, der an dem Treffen nicht teilnahm.

Auch wenn die Abschlusserklärung des Treffens sich allzu dröhnender Rhetorik enthält, so war der Gipfel doch bestimmt von den Ausführungen der beiden prominentesten Teilnehmer: dem Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, und des Irans, Mahmud Ahmedinedschad. Eingebettet in die Forderung des Gipfeltreffens nach einem größeren Einfluss der Länder des Südens und nach einer multipolaren Welt, ließen beide kaum eine Gelegenheit aus, die USA als größte Bedrohung für den Weltfrieden zu brandmarken. „Die USA sind nicht die Achse des Bösen, sie sind das Epizentrum des Bösen“, sagte Chávez. Gemeinsam mit der kubanischen Präsidentschaft wolle Venezuela in den kommenden drei Jahren den US-Imperialismus brechen.

Zunächst aber wollen sich die Blockfreien für eine Reform der Vereinten Nationen einsetzen, die mehr Rechte für die Entwicklungsländer bringen soll. Darauf drängte auch UN-Generalsekretär Kofi Annan in seiner Rede vor dem Gipfel: „Der Sicherheitsrat muss sich reformieren – um der Entwicklungsländer und der Vereinten Nationen selbst willen“, sagte Annan. „Wir repräsentieren fast zwei Drittel der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, aber wir sind nicht die entscheidende Kraft in den internationalen Beziehungen, die wir sein könnten“, hatte Rául Castro, der derzeit die Amtsgeschäfte auf Kuba von seinem Bruder übernommen hat, in seiner Auftaktrede beklagt. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad kritisierte: „Die USA verwandeln den Sicherheitsrat in eine Basis zur Durchsetzung ihrer Politik.“

Es entging niemandem, dass Ahmadinedschad damit vor allem seine eigenen Befürchtungen ausdrückte, was geschieht, wenn der Streit um die Nutzung von Atomkraft in seinem Land demnächst im Sicherheitsrat verhandelt werden könnte. Prompt sicherte Venezuelas Hugo Chávez seinem iranischen Kollegen volle Unterstützung zu und warb für die Kandidatur seines eigenen Landes, das bei der bevorstehenden UN-Generalversammlung in New York als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt werden möchte. Die USA unterstützen hingegen Guatemala als lateinamerikanischen Kandidaten.

Neben einer 70-seitigen allgemeinen Abschlusserklärung verabschiedeten die Delegierten auch eine Verurteilung Israels wegen des Libanonkriegs und eine Verurteilung des Terrorismus. Dabei allerdings nahmen sie ausdrücklich den bewaffneten Kampf von Bewegungen zur Selbstbestimmung und Widerstand gegen ausländische Besatzer aus.

Unübersehbar dominierten jene Länder das Gipfeltreffen, die im scharfen Konflikt mit den USA stehen. Neben Chávez und Ahmadinedschad waren auch der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko, der Regierungschef Simbabwes, Robert Mugabe, und der Parlamentspräsident Nordkoreas, Kim Jong Nam, nach Havanna gereist. Letzterer lehnte in seiner Rede jegliche Verhandlungen über das Atomwaffenprogramm seines Landes ab. Solange die US-amerikanischen Sanktionen gegen sein Land noch in Kraft seien, bestehe „überhaupt kein Anlass“, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Der Versuch Kubas, Venezuelas und Irans, die Blockfreienbewegung klar gegen die USA in Stellung zu bringen, und als neue Front des Südens wiederzubeleben, scheint auf den ersten Blick geglückt. Welche Stärke die Organisation dabei aber tatsächlich entwickeln kann, bleibt ungewiss. BERND PICKERT