„Rot-Grün ist wieder da“

Bei den Grünen in der Hauptstadt verleiht das Wahlergebnis den Jamaika-Gegnern Auftrieb. Nur Klaus Wowereit muss noch mitspielen

BERLIN taz ■ Am Tag danach waren die Grünen gestern ungebrochen stolz wie Bolle auf ihr Berliner Wahlergebnis von 13,1 Prozent der Stimmen. Fünf Wahlkreise direkt in West- wie Ost-Berlin geholt, bei den Jungwählern FDP, PDS und CDU abgehängt – Parteichef Reinhard Bütikofer blieb dabei: Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) müsse sich zu Regierungszwecken statt für die gebeutelte Linke für die Grünen entscheiden.

Er könne freilich „nicht garantieren, dass die Grünen so handzahm sein werden“ wie die Linkspartei, sagte Bütikofer. Doch dürften die Bundes- wie die Landesgrünen zum einen oder anderen Zugeständnis bereit sein, um wenigstens in einem einzigen Bundesland wieder mitzuregieren. Für gut aufgestellt halten sie sich in der Stadtentwicklung – dem Metier der Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig –, aber auch bei Ökologie, Bildung, Integration.

Die Grünen setzen darauf, dass Wowereit sich auf bundespolitischer und SPD-interner Ebene bessere Chancen mit Rot-Grün als mit Rot-Rot ausrechnen könnte. „Rot-Grün“ in aller Munde: Auftrieb gibt dies denen, die schon seit einem Jahr dagegen sind, dass Rot-Grün flugs zu „Historie“ erklärt wird und die Partei ihr Heil nur mehr bei Union und FDP sucht. „Rot-Grün ist wieder da – das ist das unbestreitbare Signal dieser Wahl“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin zur taz. „Und dieses Signal wird Auswirkungen auf die kommenden Landtagswahlen in Niedersachsen, Hessen und Hamburg haben.“

Tatsächlich können die Verfechter einer schwarz-gelb-grünen „Jamaika“-Koalition im Bund auch aus der Feinanalyse des Berliner Ergebnisses kaum Honig saugen. Die Meinungsforscher von infratest stellten fest, dass es zwischen CDU und Grünen null Prozent Wähleraustausch gegeben hat. Gewonnen haben die Grünen demnach 15.000 Stimmen von der SPD und 10.000 Stimmen von der PDS.Linkspartei – allerdings auch 4.000 Stimmen von der FDP. Abgegeben haben sie laut infratest 20.000 Stimmen ans Nichtwählerlager sowie an die Kleinstparteien samt WASG.

Die Wählerwanderungsanalysen sind allerdings – zumal im unübersichtlichen Berlin – sehr umstritten. Auch wurden gestern anekdotische Beweise gesammelt, wonach CDU-Wähler aus Enttäuschung über die CDU oder zur Verhinderung von Rot-Rot diesmal grün gewählt hätten. Nicht dass einer denkt, die Grünen legten sich wieder Richtung SPD fest. ULRIKE WINKELMANN