Migration und das Geschäft mit der Armut

Armut und Perspektivlosigkeit sind die wichtigsten, wenn auch nicht die einzigen Gründe für die Migration aus den Ländern des Südens in den Norden. Mehr oder weniger legale Netzwerke von Vermittlern und Schlepperbanden schöpfen dabei erhebliche Gewinne ab. Denn das Geschäft mit billigen Arbeitskräften und vor allem mit Prostituierten blüht weltweit

Der Handel mit Arbeitskräften ist in jedem Fall ein lukratives Geschäft

In den Migrationsströmen spiegeln sich noch immer die alten kolonialen Verbindungen wieder: Die Emigranten aus Algerien drängen nach Frankreich, die vom indischen Subkontinent wollen sich in Großbritannien niederlassen. Aber nicht nur das koloniale Erbe, auch die Globalisierung hat zur Entstehung neuer – legaler und illegaler – Migrationsrouten zwischen Herkunfts- und Zielländern beigetragen. Im Fall der Vereinigten Staaten haben sowohl die mit den Auslandsaktivitäten von US-Unternehmen zusammenhängenden Sonderwirtschaftszonen als auch die amerikanische Militärpräsenz dazu geführt, dass Menschen beispielsweise aus Vietnam, den Philippinen und El Salvador in die USA auswandern. Im Laufe dieser Entwicklung sind einige Länder, die früher klassische Auswandererländer waren, zu Einwanderungs- oder zu Transitländern geworden. Das gilt insbesondere für die südeuropäischen Länder Spanien, Portugal, Italien und Griechenland.

Die internationalen Wanderungsbewegungen haben im Lauf der letzten Jahre sowohl zwischen den Ländern bestimmter Regionen als auch zwischen den Kontinenten deutlich zugenommen. Die Entwicklung der – mehr oder weniger legalen – technischen und organisatorischen Infrastruktur der Weltwirtschaft hat diese Migration begünstigt und manchmal sogar auch ausgelöst. Entstanden ist ein enger Zusammenhang zwischen den globalen Dienstleistungs- und Gütermärkten, dem Anwachsen der internationalen Geldflüsse und der Arbeitsmigration.

Die internationalen Finanzinstitutionen nehmen unmittelbar Einfluss auf die Mechanismen, die diese Ströme steuern, zum Beispiel indem sie über die sogenannten Strukturanpassungsprogramme Druck auf die Entwicklungsländer ausüben, ihre Volkswirtschaften für ausländische Unternehmen zu öffnen oder die staatlichen Subventionsprogramme herunterzufahren.

Auch früher schon haben bei der Rekrutierung von Arbeitskräften – ob akademisch ausgebildete, ungelernte Arbeitskräfte oder „Sexarbeiterinnen“ – die offiziellen Akteure, also Regierungsbeamte oder Unternehmer der Aufnahmeländer, mit den Menschenhändlern (früher Sklavenhändler, heute Schleuserbanden) eng zusammengearbeitet. Doch seit in den 1990er-Jahren der illegale Handel mit Arbeitskräften erheblich zugenommen hat, können die traditionellen regionalen Schleuser ihre Geschäfte in immer größeren Dimensionen abwickeln. Zugleich sind auch, zum Beispiel in der Exsowjetunion neue Netzwerke entstanden.

Parallel zum rasanten Wachstum der für viele Länder wichtigen Tourismusbranche nimmt im Rahmen dieser „Vergnügungsindustrie“ auch der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung immer weiter zu. Dabei bilden sich ganz neue Handelskreisläufe heraus. So hat etwa der Aufschwung des Ferntourismus in einem Emigrationsland wie der Dominikanischen Republik den massenhaften „Import“ von illegalen russischen Frauen nach sich gezogen. Manche Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit und großer Armut setzen sogar auf diesen Gewerbezweig als eine Art Entwicklungsstrategie.

Die von Emigranten nach Hause überwiesenen Summen, aber auch die Gewinne, die von den Schleusernetzen abfallen, stellen in manchen Staaten eine immer wichtigere Devisenquelle dar. Der Wert der Überweisungen von Emigranten in ihre Heimatländer ist weltweit zwischen 1999 und 2005 von 70 auf 230 Milliarden Dollar angestiegen. In Bangladesch, das sehr viele Arbeitskräfte in den Nahen und Mittleren Osten, nach Japan und nach Europa exportiert, beträgt der von den Emigranten bestrittene Anteil am staatlichen Devisenaufkommen inzwischen 30 Prozent. In der Dominikanischen Republik übersteigen sie wertmäßig die Einnahmen aus dem Tourismus, der den größten Beitrag zum Wirtschaftswachstum des Landes leistet. In Mexiko sind die von Emigranten überwiesenen Dollars die zweitwichtigste Devisenquelle nach den Ölexporten.

Dass der illegale Export von Arbeitsemigranten ein profitabler Markt ist, gilt auch und vor allem für die professionellen Schleuser. Die verdienten nach Angaben der UN zwischen 1990 und 2000 jedes Jahr 3,5 Milliarden Dollar. Ihre Einnahmen im Jahr 2004 lagen nach Angaben des US-Außenministeriums bei stattlichen 7,5 Milliarden Dollar. Und während früher lokale Kleinkriminelle diesen Markt dominierten, ist er inzwischen von globalen Strukturen geprägt. Die organisierte Kriminalität drängt erst in jüngster Zeit auf diesen Markt. Und zwar mittels interkontinentaler Allianzen und ethnisch geprägter Netzwerke, die für die Kontakte vor Ort, den Transport, die Verteilung der Migranten sowie die Beschaffung gefälschter Papier sorgen.

Der Handel mit Arbeitskräften ist in jedem Fall – ob legal oder illegal organisiert – ein lukratives Geschäft. Das gilt insbesondere für den Handel mit Frauen, die zur Prostitution bestimmt sind. Doch die Frauen sind auch insgesamt viel mehr vom Menschenhandel betroffen als Männer. Seit in den Großstädten und Ballungsräumen des Nordens neue Dienstleistungssektoren entstanden sind, arbeiten viele Migrantinnen als Haushaltshilfen, Reinigungskräfte, private Pflegekräfte und Kindermädchen.

Sobald sich irgendwo eine Community von Immigranten etabliert hat, organisieren die Netzwerke der Schleuser in der Regel den Nachschub. Das Ergebnis ist eine Art Kettenmigration.

Offizielle Website des UN-Flüchtlingskommissariats:

www.unhcr.de

Kritisches zu Migration:

www.focus-migration.de

United for Intercultural Action, europäisches Netzwerk:

www.united.non-profit.nl

Informations- und Unterstüt- zungsgruppe von Immigran- ten: www.gisti.org/bienvenue/ index.de.html