rot-grün
: Die Koalition der Gewinner

Erfahrene Staatsmänner wissen in zwei Legislaturen zu denken. In der ersten, heißt es, werde aufgeräumt, in der zweiten könne gestaltet werden – notfalls mit neuem Partner. Das ist einer der Gründe, warum Rot-Grün offenbar die Koalition der Stunde ist.

Kommentar von UWE RADA

So gesehen hätte Rot-Rot in den letzten fünf Jahren Berlin einen rigiden Sparkurs verpasst – und es hätte außerdem zum Zusammenwachsen beider Stadthälften beigetragen. Nun aber, nachdem der Mohr namens PDS seine Schuldigkeit getan hat, dürfen die Grünen ran. Nun geht es um Zukunftsthemen. Klaus Wowereit hat die Wahl. Warum sollte er sich für die Koalition mit einem Verlierer entscheiden?

So wird die Koalitionsfrage auch zur Frage nach dem Adressaten künftiger Politik. Die Jungen und Kreativen haben sich schon lange nicht mehr vertreten gefühlt von der SPD-PDS-Koalition. Bei Rot-Grün wäre das anders. Das wäre nicht nur die Koalition der Wahlgewinner, es wäre auch der Einzug des Prenzlauer Berg ins Rote Rathaus. Berlin wäre zwar immer noch arm und sexy, allerdings mit deutlich mehr Betonung auf sexy.

Ist das die Koalition, die Berlin braucht? Die Grünen verweisen auf Umfragen und meinen ja. Doch je mehr sich die, die nicht auf der Sonnenseite stehen, von der Politik verlassen fühlen, desto mehr wird sich fortsetzen, was der Wahlabend zeigte: die Auflösung des etablierten Parteiensystems und die Stärkung kleiner, oft rechter Parteien.

Welche Signale aber gingen von einer Fortsetzung der rot-roten Koalition aus? Gewiss, die Linkspartei würde mehr Akzente setzen und ein bisschen grüner werden. Am Grunddilemma würde das aber nichts ändern. Diese Koalition verbreitet – sieht man einmal von Klaus Wowereit ab – vieles, nur keine gute Laune und Optimismus.

Wowereit hat also nicht nur die Wahl zwischen zwei Partnern. Er muss auch entscheiden, welche Wählerschaft er künftig mitnimmt – die sozial engagierten Gewinner oder die vom Sozialabbau bedrohten Verlierer. Und das gilt auch im Hinblick auf eine Kanzlerkandidatur.