Grüne Republik Kreuzhain

In Friedrichshain-Kreuzberg sind die Grünen die stärkste Fraktion im Bezirk. Nun soll Spitzenkandidat Franz Schulz dessen Bürgermeister werden – doch die anderen Parteien könnten das verhindern

von WALTRAUD SCHWAB

Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg haben während des gesamten Wahlkampfs keinen Zweifel an ihren Absichten gelassen: Franz Schulz, der jetzige Baustadtrat, sollte neuer Bürgermeister des Innenstadtbezirks werden. Was sie dafür brauchten: Ein paar Prozentpunkt mehr als bei der letzten Wahl. Stärkste Fraktion sollten sie zudem sein.

Der Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Im Vergleich zu 2001 haben die Grünen ihren Stimmanteil in Friedrichshain-Kreuzberg um 10,5 Prozentpunkte erhöhen können und sind nun mit 33 Prozent Spitzenreiter in der neuen Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

Gleich drei von sechs Stadtratsposten stehen den Grünen nach ihrem Wahlsieg zu. Als stärkste Fraktion können sie zudem den Bürgermeister stellen, dessen Stimme in Pattsituationen doppelt zählt. Doch da beginnen die Probleme. „Drei Stadtratsposten und einer davon der Bürgermeister – das gibt den Grünen die absolute Mehrheit im Bezirksamt“, sagt Claudia Richter von der Linkspartei. Sie ist Bezirksverordnete in Friedrichshain-Kreuzberg. Auf das Zögern in ihrer Stimme angesprochen meint sie, die Grünen seien durch den Wahlausgang für ihre Arbeit überproportional belohnt worden. Sie klingt geschockt.

Die Linkspartei ist der Wahlverlierer im Bezirk. In der letzten BVV noch stärkste Fraktion, ist sie jetzt nur noch Dritte: 12,6 Prozentpunkte hat sie verloren, gerade mal 16,5 Prozent der Stimmen sind ihr geblieben. Unverändert an zweiter Stelle liegt die SPD – eine Rolle, mit der sich die Friedrichshain-Kreuzberger Sozialdemokraten nur sehr ungern abfinden. Schon in früheren Legislaturperioden zeigten sie sich wendig, wenn es darum ging, für ihre Positionen Bündnispartner zu suchen und Mehrheiten zu sichern. Warum nicht dieses Mal? Die bisherige Jugendstadträtin von der SPD, Sigrid Klebba, war als Gegenkandidatin zu Schulz in den Wahlkampf geschickt worden.

Für Schulz ist es deshalb noch nicht ausgemacht, dass die SPD nicht doch eine Zählgemeinschaft mit der Linkspartei eingeht, damit Klebba Bürgermeisterin wird. Zusammen hätten beide 25 Stimmen. Weil das für die einfache Mehrheit von 28 Abgeordneten noch nicht reicht, müssten sie weitere Bündnispartner bei den Parteien suchen, die ein einstelliges Ergebnis eingefahren haben und in der BVV vertreten sind: etwa die CDU mit 8,8 Prozent und fünf Mandaten, die FDP mit 3,8 Prozent und zwei Mandaten und die WASG mit 6 Prozent Stimmanteil und drei Mandaten.

Kurt Wansner, graue Eminenz der Kreuzberger Christdemokraten, ist enttäuscht von dem Ergebnis. „Für die CDU sind das fünf verlorene Jahre.“ Das Ergebnis ist so schlecht, dass er sich, in dem Augenblick, als er über die SPD schimpfen will, selbst bremst. „Es gibt einen Punkt, wo man lieber schweigt.“ Wansner fürchtet um das bürgerliche Klientel, das den Bezirk weiter verlassen werde. Dass die Grünen-Wähler selbst bürgerliches Klientel seien, lässt er nicht gelten. „Nicht in Kreuzberg.“ „Der Schulz“ habe nichts Bürgerliches an sich, betont er. Auf der anderen Seite gibt Wansner zu bedenken, dass die Grünen eher verlässliche Bündnispartner der CDU waren als die SPD oder die Linkspartei.

Schulz selbst wird erst einmal mit seiner Partei überlegen, welche Stadtratsposten man besetzen möchte. Zwei Prämissen haben sich die Bezirksgrünen gegeben: Sie wollen dort Positionen besetzen, wo es etwas zu gestalten gibt. Und sie wollen dort etwas gestalten, wo man in die Nähe der Bürger und Bürgerinnen kommt. „Wir möchten noch stärker vor Ort sein“, sagt Schulz. „Wir möchten dahin, wo man mit den Leuten redet, ihre Meinung hört, sich streitet.“ Es gehe nicht immer um Übereinstimmung, es gehe um Kommunikation. Dass es bisher nicht Schulz’ Stärke war, bürgernah zu kommunizieren, hindert ihn nicht. Er gilt als meinungsstark, ohne seine Meinung richtig vermitteln zu können. Aber Schulz ist lebenslangem Lernen verpflichtet. Wenn er etwas als Defizit erkannt hat, versucht er, es zu ändern.

Das gilt nicht nur für ihn selbst, sondern auch für politische Inhalte. Schulz will sich wie bisher um Stadtentwicklung kümmern. Und dass er sich als Bürgermeister zudem in die Bereiche Bildung und Migration einarbeitet, steht für ihn fest.