Den Panthern gelingt der große Sprung

Die Grauen Panther sind in acht Bezirksparlamente eingezogen – und gehen dort auf Distanz zu den Rechtsextremen

Ralf Werner hatte eigentlich vor, nach Madeira zu fliegen. Er ist dann auf der Liste der Grauen Panther gelandet. In Reinickendorf, bei der Wahl 2001 – und jetzt wieder. Ralf Werner ist mittlerweile auch stellvertretender Landesvorsitzender der Grauen Panther Berlin. Neben Norbert Raeder, dem Parteichef. In dessen Reisebüro wollte Werner damals seinen Madeira-Urlaub buchen. Der Panther-Chef hat ihm aber nicht nur Flugtickets, sondern auch einen Wahlkreis angeboten. Werner nahm an: „Ich hab’ schon immer politisch gearbeitet“, sagt er, bei der IG Metall etwa. Warum nicht für die Grauen Panther kandidieren?

Gerade in diesen Tagen dürfte er das nicht bereuen. Die „Alten-Partei“ ist bei der Wahl am Sonntag in acht Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) eingezogen – bisher saßen sie in keiner einzigen. In Reinickendorf, wo Werner und Raeder, der Landesvorsitzende, angetreten sind, haben sie sogar 7 Prozent geholt. Landesweit bekamen sie 3,8 Prozent der Stimmen. Ein Sensatiönchen.

Die Grauen feiern dies am Sonntagabend in der Kneipe des Landesparteichefs Raeder – im „Kastanienwäldchen“. Über den blinkenden Spielautomaten sind auf den Fernsehschirmen Wahlabend-Politiker zu sehen. Zu hören sind aber Larry Schuba, seine größtenteils schnauzbärtige Band und ihr Altherrenrock.

Ralf Werner, Bart, Brille, ockerfarbenes Jackett, Hose grau, will von Berlin aus die Partei erneuern. Er hatte das Bundesprogramm der Panther schon zu drei Vierteln umgeschrieben. Programmarbeit ist nicht einfach, findet er, auch sprachlich: „Ich bin Schlossermeister und nicht Schriftsteller.“ Weitere Schwierigkeit: „Man schwenkt so schnell ab.“ Plötzlich fordert man dasselbe wie die FDP. „Wir wollen nicht die Welt verbessern“, so Werner. „Aber Berlin verbessern: Dit is einfach drin.“ Sie wollen „Tante Friede helfen, wenn die von ihren Pflegern nicht pfleglich behandelt wird.“

In Berlin gibt es zwischen 600 und 800 Graue Panther. Das jüngste Mitglied ist 18. Eines der älteren ist Peter Thuge, Altenpfleger in Rente, Kreisvorsitzender in Treptow-Köpenick. Er hat schlechte Zähne, eine schwarze Cap auf und Schlappen an den Füßen, die mal weiß waren. Thuge sieht aus, als würde er einen Großteil seiner Freizeit an Imbissbuden verbringen. Nur redet er ganz anders: „Die Bezirksverordnetenversammlungen, das sind reine Verwaltungsparlamente.“ Er trinkt einen Schluck Cola. „Das wird Kärrnerarbeit.“ Thuge will in vier Ausschüsse: Soziales und Gesundheit, Eingaben und Beschwerden, Planungsausschuss und in den Ältestenrat. „Da bleibt reichlich über für die Kollegin“, für die zweite Verordnete. Die tunkt gerade hinter ihm ihre Wurst in den Senf.

„Noch eins“, sagt Thuge. „Wir werden keinen Millimeter mit den Faschisten kooperieren.“ Ein Konsensbeschluss des Landesverbandes, auf Thuges Initiative hin. Er ist so etwas wie der linke Flügel der Grauen Panther. Sein Vater hat zu NS-Zeiten als Circusclown einen Gröfaz-Witz gemacht. Daraufhin ist er in Bergen-Belsen ermordet worden. Thuge wird den Boykott umsetzen müssen. In der BVV Treptow-Köpenick sitzt auch Udo Voigt – der Vorsitzende der Bundes-NPD. JOHANNES GERNERT

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