Kein Fortschritt für Verbraucherschutz

Am kommenden Freitag berät der Bundesrat das Verbraucherinformationsgesetz von Bundesminister Horst Seehofer (CSU). Sollte er es durchwinken, falle Deutschland mit seinen Standards weit hinter andere Nationen zurück, monieren Kritiker

VON MANFRED KRIENER

Bleibt die Bundesrepublik verbraucherpolitisches Entwicklungsland? Wenn das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) kommenden Freitag im Bundesrat durchgewunken werde, falle unser Land weit hinter andere Nationen zurück, kritisierte gestern die Deutsche Umwelthilfe in Berlin. Als beispielhaft wurden Südafrika, Dänemark, die USA und Großbritannien genannt, deren Gesetze echte Transparenz herstellten und Verbraucherinformation ernst nähmen. Der „verbraucherrechtliche Torso“ von Minister Seehofer bringe dagegen „keinen erkennbaren Fortschritt“ und werde Lebensmittelskandale nicht verhindern, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

In einem Analysepapier hatte DUH-Expertin Cornelia Ziehm die Schwächen des Gesetzes bis ins Detail dokumentiert. Ihre wichtigsten Kritikpunkte: Es gebe keine aktive Informationspflicht der Behörden, und schwarze Schafe würden nicht öffentlich gemacht. Betroffene Unternehmen könnten zudem selbst definieren, welche Daten unter das Betriebsgeheimnis fallen. Sie müssten zu solchen Daten keine Auskünfte geben und auch keine Begründung liefern, warum sie Daten als geheim einstufen. Selbst bei größtem öffentlichen Interesse bestehe kein Informationsanspruch gegenüber „Betriebsgeheimnissen“.

Bei Rückrufaktionen, so Ziehms Kritik, gebe es außerdem keine Informationspflicht über das Ausmaß der Belastung. „Wie genau und warum ein Lebensmittel derart belastet ist, dass der Staat vor seinem Verzehr warnt, sollen die Verbraucher nicht erfahren.“

Die DUH erinnerte an die heftige Kritik des Gesetzes von unterschiedlichsten politischen Gruppen. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad habe dem VIG noch diese Woche „gravierende Mängel“ bescheinigt. Dennoch wolle Ministerpräsident Beck am Freitag zustimmen. Auch die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Berlin hätten, so Jürgen Resch, deutliche Kritik angemeldet und intelligente Verbesserungsvorschläge gemacht. Ebenso hätten die Datenschutzbeauftragten in einer Stellungnahme die „mangelnde Transparenz“ gerügt.

Noch sei es für Nachbesserungen nicht zu spät, so Resch. Bei gutem Willen aller Beteiligten könne „innerhalb weniger Wochen ein Transparenzgesetz entwickelt werden, das internationalen Standards genügt.“ Anstatt Abwehrkämpfe gegen demokratische Informationsbedürfnisse zu führen, sollten „die weltbesten Standards eines modernen Verbraucherschutzes“ angestrebt werden. Ständige Skandale würden nicht nur am Vertrauen der Verbraucher zehren, sondern auch den Unternehmen schaden und ganze Branchen erschüttern. Die Angst vor Schadensersatz als „Dauerausrede“ ließ Resch nicht gelten. Man könne, so Resch, den Fall „Birkel“ – damals hatte das Land Baden-Württemberg zu Unrecht vor verseuchten Birkel-Nudeln gewarnt – „nicht ewig als Monstranz vor sich hertragen, um Information und Transparenz zu verhindern“.