Pflüger hat die Wahl gewonnen

Nach der desaströsen Wahlniederlage bestimmt die CDU-Fraktion Friedbert Pflüger zu ihrem Chef. Er steht vor der Herausforderung, die Partei im Osten und bei Jungwählern wieder wählbar zu machen

VON MATTHIAS LOHRE

Friedbert Pflüger hat an Gewicht gewonnen. Zum einen, weil der CDU-Spitzenkandidat im strapaziösen Wahlkampf fünf Kilogramm verloren hatte und jetzt langsam wieder zulegt. Zum anderen, weil der Wahlverlierer seit gestern einen Posten innehat, der ihm endlich Einfluss in seiner Partei bescheren soll. Mit 33 von 37 Stimmen bei einer Nein-Stimme und drei Enthaltungen wählten die Mitglieder der neuen CDU-Abgeordnetenhausfraktion Pflüger zu ihrem Vorsitzenden. Für den Parlamentsneuling steht vieles auf dem Spiel.

Der 51-Jährige übernimmt den Fraktionsvorsitz nach dem schlechtesten Wahlergebnis, das die Berliner CDU je eingefahren hat. Mit 21,3 Prozent unterbot die Partei sogar den Negativrekord, den ihr der glücklose Frank Steffel vor fünf Jahren bescherte. Bei der Zahl der absoluten Stimmen verlor die Union noch einmal rund 90.000 Wähler gegenüber 2001. Weniger als 300.000 von 2,4 Millionen Wahlberechtigten entschieden sich dafür, den Christdemokraten ihre Stimme zu geben. Zur Verblüffung der Beobachter sagte Pflüger am Wahlabend: „Die CDU in Berlin ist wieder da.“ Gemeint war wohl: Die CDU ist noch da. Jetzt soll das überfällige Aufräumen im kleinbürgerlichen und traditionell zerstrittenen Landesverband beginnen.

„Das Wahlergebnis zeigt, dass die Partei die Lehren aus den Querelen der vergangenen Jahre gezogen hat“, urteilte der sichtlich geschaffte Pflüger gestern. Zuerst wird sich der neue Vorsitzende um die Ausrichtung seiner Fraktion kümmern müssen, die durch Ausgleichsmandate um zwei Sitze gewachsen ist. 16 der 37 Parlamentarier sind neu im Parlament, zwei Ex-Mitglieder haben den Wiedereinzug geschafft. Doch die vielen Neulinge garantieren keine inhaltliche Belebung. Aufgestellt haben die Kandidaten die starken Bezirke schon vor Pflügers Nominierung zum Spitzenkandidaten. Nur den Medienunternehmer Peter Schwenkow hat er eingebracht.

Pflüger wird kämpfen müssen. Nach dem bevorstehenden Rücktritt vom Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium hat der Hannoveraner keine Hausmacht mehr. Der Fraktionsvorsitz allein kann sie nicht ersetzen. Das zeigt das Schicksal von Pflügers blassem Vorgänger Nicolas Zimmer. Der 36-Jährige musste seinen Schreibtisch räumen, ohne Akzente gesetzt zu haben. Pflüger sitzt auf einem Schleudersitz. Doch die Union wäre selbstmörderisch, den Knopf zu drücken. Pflüger ist ihre letzte Chance.

Im Ostteil der Stadt hat die CDU seit dieser Wahl endgültig den Status einer Volkspartei verloren. In fünf Abgeordnetenhauswahlen seit 1990 hat die Partei lediglich fünf Direktmandate im Osten gewonnen. Unter den Unions-Wählern gab es zudem ein erhebliches Altersgefälle. Nur bei den über 60-Jährigen erreichte die CDU mit 32 Prozent ein weit überdurchschnittliches Ergebnis, bei den unter 30-Jährigen fiel die Partei mit 13 Prozent und bei den 30- bis 44-Jährigen mit 16 Prozent hinter SPD und Grüne zurück. Pflüger wird sich mühen, diese Wählererosion zumindest zu bremsen. Dem Neuberliner könnten Wähler eher abkaufen, für eine Gesamtberliner CDU zu stehen, als den Bezirksfürsten aus Charlottenburg-Wilmersdorf oder Steglitz-Zehlendorf. Die Kärrnerarbeit wird ihn wieder Gewicht kosten. Wenn er Glück hat, nur Körpergewicht.