SPD und PDS lernen sich ganz neu kennen

Beim ersten Sondierungsgespräch interessiert die SPD vor allem die Stimmung beim bisherigen Koalitionspartner. Die Kompromisssuche gestaltet sich für die beiden roten Parteien heikel. Sie müssen auf ihre Basis Rücksicht nehmen

Ein Pokerface setzten die beiden Landesvorsitzenden von SPD und PDS auf, als sie zehn Minuten nach dem offiziellen Ende der ersten Sondierungsgespräche gestern Abend aus dem Dienstzimmer von Klaus Wowereit im Roten Rathaus kamen. „Die SPD hat besonders interessiert, wie die Stimmung in der PDS ist und wie sich eine verlässliche Regierung bilden lässt“, sagte Michael Müller (SPD). Man habe sich über eine paar inhaltliche Punkte verständigt, sagte Klaus Lederer. So habe man über die Perspektiven für Kitas und Schulen und öffentliche Unternehmen gesprochen.

Müller lobte die offene konstruktive Atmosphäre des Gespräches. Man werde in den nächsten Tagen eine zweites Gespräch mit der PDS führen. Zu Ergebnissen und Details wollten sich beide nicht äußern. Ressort und Personalfragen seien noch nicht besprochen worden. Die SPD habe ein hohes Interesse, die Sondierungsgespräche schnell zu führen und so zu einer Koalition zu kommen, sagte Müller. Beide Seiten haben sich auf nächste Woche vertagt.

Die Verhandlungen um eine Neuauflage von Rot-Rot sind äußerst heikel – für beide Seiten. Die PDS kann kaum inhaltliche Zugeständnisse machen, will sie nicht Fraktion und Wählerschaft auf die Barrikaden treiben. Und auch Klaus Wowereit muss – neben bundespolitischen Wünschen – auf seine Fraktion Rücksicht nehmen. Deren Gruppierungen meldeten gestern bereits Ansprüche auf ein Bündnis an. Die einflussreiche Berliner Linke stellte ein Positionspapier ins Internet, in dem starke Sympathie für eine Neuauflage der rot-roten Koalition durchschimmert. Es gebe starke Argumente für die Fortsetzung des Bündnisses, heißt es darin. Dies seien zum Beispiel „die bewiesene Zuverlässigkeit und Professionalität der PDS“. Die SPD-Linken stimmen in vielen Punkten inhaltlich mit der PDS überein, sie lehnen zum Beispiel Verkäufe landeseigener Betriebe strikt ab. Allerdings kommt das Papier zu dem Schluss: „Die rot-rote Koalition ist kein Selbstzweck.“

Auch der konservative SPD-Flügel, der in der Gruppe Aufbruch Berlin organisiert ist, stellte in einem Papier, das der taz vorliegt, Forderungen auf: Die von Wowereit im Wahlkampf versprochene Kostenfreiheit für Kita-Besuche soll auf ihre Finanzierbarkeit abgeklopft werden. Denn der Ausbau zur Bildungseinrichtung koste Geld, die „dringlichste Aufgabe“ sei die „Qualifizierung des Personals“. Und die SPD-Rechten fordern, der Senat solle im Verbund mit Kammern und Gewerkschaften dafür sorgen, dass „im öffentlichen Bereich unbegrenzt Ein-Euro-Jobs eingerichtet werden dürfen“.

Heute treffen sich die fünf Grünen-Verhandler mit der SPD. Sie hatten die SPD-Spitze mit weit reichenden Vorab-Forderungen, zum Beispiel der nach drei Senatorenposten, auf die Palme gebracht. „Die Grünen sind nur die viertstärkste Fraktion geworden“, sagte Müller. Aber sie führten sich auf, „als ob sie die Wahl gewonnen hätten“. Dem Vernehmen gab’s noch in einem anderen Punkt Streit: Wowereit waren fünf Verhandler zu viel, schließlich sprechen für die SPD – mit ihm, Landeschef Michael Müller und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer – nur drei. Aber die Grünen setzten sich durch: „Wir gehen zu fünft“, so eine Sprecherin. „Doppelspitze ist Doppelspitze.“ULRICH SCHULTE

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