Lichtenberger Coppi-Schule bleibt erhalten

Erstmals haben BerlinerInnen ihren politischen Willen per Bürgerentscheid bekundet – das Ergebnis lässt Fragen offen

Das Lichtenberger Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium soll an seinem bisherigen Standort erhalten bleiben. So lautet das Ergebnis des ersten Bürgerentscheids, der in einem Berliner Bezirk durchgeführt wurde. Zusammen mit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) konnten die Lichtenberger am vergangenen Sonntag über den per Bürgerbegehren erzwungenen Entscheid abstimmen. Dessen Initiatoren hatten verlangt, eine vom Bezirksamt beschlossene Standort-Rochade zu stoppen. Dabei sollten zwei Gymnasien fusioniert werden; die Coppi-Oberschule hätte ihren jetzigen Standort verloren. Die Beteiligung lag bei 48,4 Prozent.

Michael Efler, Sprecher des Vereins „Mehr Demokratie“, begrüßt die gelungene Durchführung einer Abstimmungsform, die ein 2005 in Kraft getretenes Gesetz ermöglicht: „Der erste Entscheid hat stattgefunden, und die Beteiligung war gut.“ Ganz ungetrübt ist Eflers Freude aber nicht, denn offenbar hatten viele Lichtenberger Probleme mit ihrem Votum. Schuld daran war die Unübersichtlichkeit des Verfahrens. Auf dem Stimmzettel konnte man nicht nur bei der Forderung des Bürgerbegehrens „Ja“ oder „Nein“ ankreuzen (A). Es gab einen zweiten Entscheid, der den gültigen Beschluss des Bezirksamts zur Abstimmung stellte (B). Und Frage C lautete schließlich: „Welcher Entscheidung geben Sie den Vorzug, wenn sowohl A als auch B die erforderliche Mehrheit erhält?“

Dieses „Präferenzwahlverfahren“ verstanden viele Wähler offenbar nicht. Tatsächlich erhielten beide Varianten mehr Ja- als Nein-Stimmen, bei Variante B fiel das Ergebnis sogar deutlicher aus. Gewinner ist aber die Position des Bürgerbegehrens – weil eine Mehrheit von 55 Prozent der A-Entscheidung den Vorzug gab.

Ob sich eine Präferenzwahl hier überhaupt anbot, wird wohl noch diskutiert werden. Schließlich skizzierte Variante B die Situation, die auch ohne Bürgerentscheid geherrscht hätte, und war also identisch mit der Ablehnung von Variante A. Aufgrund des undurchdringlichen Abstimmungsmodus hält Efler es nicht für ausgeschlossen, „dass Leute gegen ihre eigenen Interessen gestimmt haben“. Das sollte künftig vermieden werden: „Bürgerentscheide müssen den Kriterien der Verständlichkeit und Einfachheit entsprechen“, so Efler. „Wenn eine BVV einen konkurrierenden Vorschlag zur Abstimmung stellt, sollte sie damit nicht zur Verwirrung beitragen.“

Lichtenbergs amtierende Bürgermeisterin Christina Emmrich hatte vor der Wahl gesagt, man werde „eben ein anderes Gymnasium schließen“, sollte der Bürgerentscheid erfolgreich sein. Ob das geschieht, ist offen: Emmrichs Partei, die PDS, wurde bei der BVV-Wahl abgestraft, und auch ihre Neuwahl zur Bürgermeisterin gilt nicht mehr als sicher. CLAUDIUS PRÖSSER