portrait
: Gewerkschaftschef mit Weitblick

Modernisierer, Reformer, Gewinnertyp – solche Charakterisierungen kommentiert Detlef Wetzel für gewöhnlich nicht. Das überlässt der medienerfahrene IG-Metall-Chef aus Nordrhein-Westfalen lieber anderen. Doch diese Woche kann der 53-Jährige einmal mehr einen Erfolg feiern. In der Nacht zum Donnerstag hat Wetzel als Verhandlungsführer der IG Metall einen Tarifabschluss für die 85.000 Stahlarbeiter in NRW, Bremen und Niedersachsen ausgehandelt, wie es ihn noch nicht gegeben hat.

Der Abschluss, der heute von der Tarifkommission gebilligt werden soll, bringt den Stahlarbeitern nicht nur 3,8 Prozent mehr Gehalt und einmalige Zahlungen von insgesamt 1.250 Euro. Erstmals enthält das Vertragswerk – auf Druck der IG Metall – auch Regelungen für ein altersgerechtes Arbeiten. Eine Reaktion auf den mit 29 Prozent überdurchschnittlich hohen Anteil der über 50-Jährigen unter den Beschäftigten in der Stahlbranche.

Der gebürtige Sauerländer liebt es, mit solchen Forderungen in Tarifgespräche zu gehen. Bei den Verhandlungen in der NRW-Metallindustrie im Februar setzte er nicht nur einen guten Abschluss von 3,5 Prozent durch, sondern verpflichtete die Unternehmer per Tarifvertrag dazu, die Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu finanzieren. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es sich mit qualifizierten Mitarbeitern besser produzieren lässt.

Die Botschaft ist klar: Wenn Wetzel und seine IG Metall in den Ring steigen, dann geht es nicht nur um mehr Geld – es geht um das Allgemeinwohl. Wenn Unternehmen kurzsichtig und aus Profitinteresse die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter vernachlässigen, dann muss die Gewerkschaft sie eben per Tarifvertrag dazu zwingen. „Wer kümmert sich denn sonst darum, dass Menschen einen Job bekommen, mehr Einkommen, mehr Qualifizierung und mehr Altersvorsorge?“, fragte der Hobby-Imker neulich im Interview mit der taz nrw. „Das sind doch die Gewerkschaften.“

Und auch innerhalb der Gewerkschaften treibt Wetzel die Modernisierung voran. Betriebliche Bündnisse sind für ihn kein Tabu, im Gegenteil: Er setzt ganz darauf, dass Beschäftigte ihre Belange selbst in die Hand nehmen. Aus der Gewerkschaftszentrale gibt es dann, falls gewünscht, Unterstützung. Dieses Herangehen gilt als Erfolgsmodell, seit in NRW die Mitgliederzahlen der IG Metall nicht mehr sinken.

Längst wird Wetzel deswegen als aussichtsreicher Kandidat für den Vizevorsitz der IG Metall gehandelt. Falls Gewerkschaftschef Jürgen Peters sein Amt nächstes Jahr abgeben sollte und sein Vize Berthold Huber nachrückt, wäre dessen Posten für den gelernten Werkzeugmacher frei. DIRK ECKERT