Who is who auf der Islam-Konferenz

Nach dem Integrationsgipfel der Bundesregierung soll jetzt mit Vertretern von Muslimen in Deutschland der Islamgipfel bestiegen werden. Ein Überblick über Organisationen, die die Mehrheit der Deutschen nicht kennt

BERLIN taz ■ Heftiger Ärger von Muslimen über den Papst aus Deutschland, vereitelte Anschläge muslimischer „Kofferbomber“, Integrationsprobleme muslimischer Migranten – es gibt viel zu besprechen mit Muslimen in Deutschland. Deswegen sucht Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Dialog mit der muslimischen Gemeinschaft – und initiiert die erste Islam-Konferenz. Eingeladen sind neben Bund und Ländern Vertreter von fünf Dachverbänden islamischer Gemeinden. Es sind:

1. Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IR): Der Dachverband ist mit 140.000 Mitgliedern die größte Interessensvertretung der in Deutschland lebenden Muslime. Im Islamrat sind 30 Organisationen vertreten. Eines der Mitglieder ist die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IMGM), die vom Verfassungsschutzbericht beobachtet wird. Der Vereinigung wird vorgeworfen, die „freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland zu unterwandern“.

2. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD): Etwa 20.000 Mitglieder gehören dieser Organisation an, die auch die Interessen der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) vertritt. Über diesen steht im Verfassungsschutzbericht Baden-Württembergs: „Die IGD präsentiert sich nach außen zugänglich und moderat. Andererseits machten IGD-Funktionäre deutlich, dass ihrer Meinung nach die Rechtsgrundlagen in Deutschland an islamrechtliche Vorstellungen angepasst werden sollten.“ Ziel sei eine gesonderte Gerichtsbarkeit für Muslime. Auch das Geschlechterrollenverständnis des Zentralrats entspricht nur bedingt westlichen Vorstellungen. So steht auf ihrer Website, dass der Mann für den Unterhalt verantwortlich sei. Und: „Die Frau ist bemüht, ihre Kinder zu erziehen und das Haus zu einem Hort der Geborgenheit zu machen.“

3. Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib): Vorsitzender von Ditip ist stets ein Angehöriger der türkischen Botschaft in Deutschland. Die Anstalt ist mit dem staatlichen Amt für religiöse Angelegenheiten in Ankara verbunden. Imame und Religionslehrer werden aus der Türkei entsandt. Die Organisation betreut nach eigenen Angaben etwa 600 Gemeinden mit insgesamt 110.000 Mitgliedern.

4. Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ): Der Verband ist unabhängig von türkischen Regierungsstellen oder staatlichen Organisationen. Bundesweit gehören 300 Moscheen der VIKZ an. Die Interessensvertretung hat zwei illegale Schülerwohnheime betrieben und ohne eine staatlich Genehmigung unterrichtet, wie die Frankfurter Sozialbehörde im Mai 2005 entdeckte. Wenige Tage später wurde dann auch noch der gesamte Vereinsvorstand wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung für kurze Zeit festgenommen. Beide Verfahren laufen noch.

5. Alevitische Gemeinde: Bundesweit werden in 105 Städten alevitische Interessensvertretungen betrieben. Die Aleviten bilden in der Türkei nach den sunnitischen Muslimen die zweitgrößte Religionsgruppe. Diese Gemeinschaft gilt als besonders liberal. Sie hat keinen eigenen Rechtsstatus als Religionsgemeinschaft und wird deswegen in der Türkei diskriminiert. Der Verfassungsschutz ordnet den Verband als friedlich ein. Etwa 700.000 Aleviten leben in Deutschland.

Neben den Vertretern der Dachverbände sind auch zehn Einzelpersonen geladen. Dazu gehören die bekannten Frauenrechtlerinnen Seyran Ateș und Necla Kelek. Die Juristin Ateș hatte im August ihre Kanzlei geschlossen – aus Angst vor gewalttätigen türkischen Männern. Für die muslimischen Frauen sprechen wird aber Ezhar Cezairli. Die Frankfurter Zahnärztin gehört zu den Gründungsmitgliedern einer Gruppe säkularer Muslime. Die Initiative wendet sich gegen islamistische Organisationen, die in Deutschland Rechtsnormen jenseits des Grundgesetzes etablieren möchten. Dass muslimische Mädchen nicht am Sport- oder Sexualkundeunterricht teilnehmen sollen, ist für Cezairli indiskutabel. Meinungsverschiedenheiten zwischen den männlichen, konservativen Vertretern der Dachverbände und den weiblichen Einzelkämpfern sind somit vorprogrammiert. CIGDEM AKYOL