Schwarzer OB von grünen Gnaden

Mit Hilfe der Grünen stößt der CDU-Kandidat bei der Stichwahl in Oldenburg den sozialdemokratischen Oberbürgermeister vom Sockel. Auslöser ist der Bau einer Shopping-Mall. Das neue Stadtoberhaupt hat Erfahrung mit Grünen: Er war selbst mal einer

VON KAI SCHÖNEBERG

Mit Hilfe vieler Grünen-Stimmen hat der parteilose CDU-Kandidat Gerd Schwandner bei der Stichwahl in Oldenburg den amtierenden SPD-Bürgermeister Dietmar Schütz vom Sockel gestoßen. Schwandner, der im ersten Wahlgang vor zwei Wochen noch 16,6 Prozent hinter Schütz gelegen hatte, fuhr am Sonntag 50,9 Prozent der Stimmen ein, sein SPD-Rivale nur 49,1 Prozent. „Wir haben die eigenen Leute besser als die SPD mobilisieren können“, sagte der frisch gewählte Oberbürgermeister gestern zur taz. „Zudem gab es ja noch den Wahlaufruf der Grünen.“

Beherrschendes Thema des Wahlkampfs in der norddeutschen 160.000-Einwohner-Stadt war der Bau eines Einkaufszentrums. Der Hamburger Projektentwickler ECE, eine Tochter des Otto-Konzerns, überzieht Deutschland derzeit mit uniformen Betonkästen. 89 Center gibt es schon, so die Potsdamer Platz Arkaden in Berlin. 20 weitere sind deutschlandweit in Planung. In Oldenburg wehrten sich Einzelhändler und Bürger gegen die dortige „Schlossgalerie“, weil sie fürchten, dass dem 90 Millionen Euro teuren Projekt kleine Läden zum Opfer fallen. Ein Bürgerbegehren sammelte 18.000 Stimmen gegen den Koloss, bei der Planfeststellung gab es 780 Einwendungen, aber SPD-Oberbürgermeister Schütz peitschte den Bebauungsplan trotz der Bedenken durch den Rat. Dort gibt es seit zwei Wochen eine Mehrheit gegen das Projekt – und zwar von CDU, Grünen und Linkspartei. Schwandner selbst hat auch eine Stimme im Rat.

Die Grünen waren von Anfang an gegen das Projekt, dann entschied sich auch Schwandner gegen die Shopping-Mall. Deshalb stimmte vor einer Woche die Mitgliederversammlung der Oldenburger Grünen für einen Wahlaufruf für den promovierten Chirurgen. Die Partei hatte zwei Wochen zuvor bei den Wahlen zum Rat der Stadt immerhin 21 Prozent eingefahren. Beim Wahlaufruf für den Kandidaten der Konservativen half auch dessen schillernde Politkarriere. „Eine Jamaika-Koalition wäre genau meine Biografie“, sagt der 55-Jährige, der derzeit noch eine Management-Professur in Karlsruhe inne hat. In seiner Studentenzeit war Schwandner noch Mitglied der FDP, für die Grünen saß er von 1984 bis 1992 als Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag.

Von dort holten ihn die Grünen 1992 als Kulturstaatsrat in die Ampelkoalition in Bremen. Dann ging er in die Wissenschaft. „Eine Reihe von Ermüdungsbrüchen“ habe ihn im vergangenen Jahr dazu veranlasst, sein grünes Parteibuch abzugeben, sagt Schwandner. Nun will er mit den einstigen Parteifreunden zunächst den Einkaufs-Koloss verhindern und künftig auf Bürgerbeteiligung setzen. Beim „Politikverständnis“ sieht der Mann auf dem CDU-Ticket große „Schnittmengen“ mit den Grünen. CDU-Mitglied ist er noch nicht, „und dazu hat mich auch noch niemand gedrängt“.

Die Universitätsstadt als Modell für schwarz-grüne Bündnisse in Bund und Ländern? „Es steht jedem frei, über Oldenburg hinaus zu denken“, sagt Schwandner. 1994 gingen CDU und Grüne im Stadtrat von Mülheim an der Ruhr das bundesweit erste Bündnis dieser Art in einer Großstadt ein. Zurzeit wird in Essen, Kiel und Frankfurt am Main schwarz-grün regiert. Auch der grüne Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon baut bisweilen auf die CDU.

Auch Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff liebäugelt gern mal mit der Machtoption auf Landesebene. Schwarz-Grün werde „unverhofft in einem Bundesland“ zustande kommen, sagt Wulff, und zwar dort, „wo es mit CDU und FDP nicht so gut“ funktioniert. Allerdings auch dort, wo „Atomkraft keine so große Rolle spielt“. Das spräche wieder gegen Niedersachsen, wo um die Zukunft des Salzstocks in Gorleben als Atommüll-Endlager gerungen wird. Schwandner sieht es anders: „Ich gebe keine Empfehlung ab, aber ich weiß sehr genau, dass CDU und Grüne jetzt genau nach Oldenburg schauen.“