Serbischer Politiker will Bosnien auflösen

Kurz vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am Sonntag schaffen Forderungen nach einem Referendum und der Vertrag über spezielle Beziehungen zwischen der bosnischen Serbenrepublik und Serbien neue politische Spannungen

AUS SARAJEVOERICH RATHFELDER

Zlatko Lagumdzija hat allen Grund zur Sorge. Dem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei ( SDP) und Führer des Blocks aller nichtnationalistischen Parteien in Bosnien und Herzegowina droht die politische Perspektive wegzubrechen.

Bis vor kurzem konnte der in Sarajevo populäre Jurist und Professor hoffen, dass seine Partei als stärkste Kraft der bosniakisch-kroatischen Föderation die Regierung in dem Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina übernimmt. Kurz vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 1. Oktober jedoch erreichen beunruhigende Meldungen aus der serbischen Teilrepublik Bosniens die Hauptstadt Sarajevo. Lagumdzijas früherer politischer Freund Milorad Dodik, Vorsitzender der serbischen Sozialdemokraten in Bosnien, will nicht mehr an der gemeinsamen Perspektive festhalten.

Noch vor einem Jahr stand fest, dass beide Politiker nach den Wahlen eine von beiden sozialdemokratischen Parteien geleitete Koalition aller nichtnationalistischen Kräfte bilden würden. Beide, so schien es, wollten dem Land eine europäische Zukunft eröffnen. Die Bedingungen für die Integration nach Europa sind klar: die Volksgruppen müssen sich zusammenraufen, den Gesamtstaat stärken, Gesetze erlassen und Reformen durchführen. Und beide sozialdemokratischen Parteien zusammen könnten auch eine neue Verfassung in den Parlamenten durchsetzen.

Diese schöne Perspektive erhielt gestern einen Dämpfer. Denn die serbische Teilrepublik, die Republika Srspka, und Serbien unterzeichneten einen Vertrag zur „Herstellung von parallelen und speziellen Beziehungen zwischen Serbien und Republika Srpska“. Es handelt sich zwar nur um eine Neuauflage eines bereits bestehenden Abkommens aus dem Jahr 2001, doch in Sarajevo sorgte dies für Aufregung. Kein Politiker in der Hauptstadt bestreitet zwar, dass die sogenannten Entitäten, die im Friedensvertrag von 1995 geschaffenen bosnischen Teilstaaten, über spezielle Beziehungen zu Serbien beziehungsweise Kroatien verfügen dürfen. Doch in den letzten Wochen verschlechterte sich das politische Klima. Und damit erscheint der Vertrag in einem neuen Licht.

Bereits im Juni begann Milorad Dodik, seit Februar Ministerpräsident der Republika Srpska, nicht mehr nur laut über einen Zusammenschluss der bosnischen Serbenrepublik mit Serbien nachzudenken, sondern er verlangte sogar eine Volksabstimmung. Die Abspaltung eines Landesteils kommt für die muslimische Mehrheitsbevölkerung und alle nichtnationalistischen Kräfte, auch bei den Kroaten, nicht in Frage. Aus ihrer Sicht handelt es sich bei der Republika Srpska nicht um eine historisch gewachsene Einheit, sondern um das Resultat des Verbrechens der ethnischen Säuberungen während des letzten Krieges. Auch der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Christian Schwarz-Schilling, protestierte. Eine Abspaltung der Republika Srpska würde von der internationalen Gemeinschaft nicht hingenommen, erklärte er sogleich.

Doch Dodik erhielt Rückendeckung aus der serbischen Hauptstadt Belgrad. Hintergrund sind die ins Stocken geratenen Verhandlungen über das Kosovo. Die internationale Gemeinschaft und die dortige UN-Mission schienen sich nach serbischer Meinung nämlich auf die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien geeinigt zu haben. Und die will Belgrad auf keinen Fall zulassen. Die Drohung, im Gegenzug die Republika Srpska aus Bosnien zu lösen, ist in diesem Kontext durchaus ernst gemeint.

Milorad Dodik ist die Schlüsselfigur in diesem Spiel. Mit seiner Rhetorik gelang es ihm, die Mehrheit der nationalistisch gesinnten Wähler hinter sich zu bringen. Ob er allerdings sein Amt als Ministerpräsident der Republika Srpska auch antreten kann, ist noch unsicher. Denn Schwarz-Schilling drohte letzte Woche, ihn aus dem politischen Leben zu entfernen, sollte er weiter mit einem Referendum drohen. Die Macht dazu hat der Hohe Repräsentant. Bisher zögerte Schwarz-Schilling, die sogenannten Bonn-Powers auch anzuwenden. Das könnte sich bald ändern. Die Öffentlichkeit in Sarajevo fordert dies.

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